Kommentar:Unabhängig trotz Trump

Der US-Präsident gängelt Behörden, aber mit seiner Personalpolitik stärkt er das Vertrauen in die Notenbank - eine Überraschung. Yellen-Nachfolger Powell setzt den Kurs der stetigen zinspolitischen Normalisierung fort.

Von Claus Hulverscheidt

Noch ist unklar, ob Brett Kavanaugh die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn politisch überleben und tatsächlich Richter am Supreme Court der Vereinigten Staaten wird. Doch unabhängig davon, wie das Gerangel auch ausgeht: Schon seine Nominierung hat gezeigt, was Präsident Donald Trump mit dem höchsten Gericht des Landes vor hat: Er will es rechter, konservativer, illiberaler machen, kurz, es soll seinen, Trumps, Kurs, auf Jahre hinaus juristisch absichern, von der Einwanderungs- über die Umwelt- bis zur Gleichstellungspolitik.

Manch andere Bundesbehörde hat es sogar noch härter getroffen: An die Spitze des Energieministeriums und des Umweltamts EPA hat der Präsident Männer gesetzt, deren Kompetenz man getrost bezweifeln darf und die den eigenen Laden am liebsten abschaffen würden. Ähnlich sieht es bei der Verbraucherschutzzentrale aus. Umso erstaunlicher ist, was Trump getan hat, um die Notenbank Fed in seinem Sinne umzupolen, die immerhin die wichtigste wirtschaftspolitische Instanz der Welt ist: nichts! Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil er die wohl einmalige Chance hatte, gleich zu Beginn seiner Amtszeit sechs der sieben Führungsposten neu zu besetzen. Doch statt für Gefolgsleute oder Außenseiter entschied er sich für sechs Kandidaten (drei sind bereits im Amt), die unisono als ebenso fähig wie traditionsbewusst gelten und für eine unabhängige Geldpolitik einstehen: Trotz der jüngsten Kritik des Präsidenten hob die Fed ihren wichtigsten Leitzins am Mittwoch erneut um einen viertel Punkt auf jetzt zwei bis 2,25 Prozent an.

Ausgerechnet der Präsident erhöht mit seiner Personalwahl das Vertrauen in die Notenbank

Was ihn zu seiner Personalpolitik bewogen hat, konnte noch niemand so recht ergründen. Ehrfurcht vor der Institution war es wohl nicht, wie sein Umgang mit anderen Behörden zeigt. Auch dass seine Wirtschaftsberater deutlich besser wären als seine umweltpolitischen Einflüsterer, kann man so pauschal nicht behaupten. Der Punkt ist wohl, dass Trump schlicht vor einem Dilemma stand: Hätte er mit der Tradition gebrochen und die Fed-Spitze mit Disruptoren und geldpolitischen Hardlinern besetzt, hätte er damit seinen eigenen Plan torpediert, das Wirtschaftswachstum mit Hilfe von Steuersenkungen und Mehrausgaben kräftig anzuheizen. Umgekehrt konnte er aber auch niemanden wählen, der im Kampf gegen die Inflation als zu weich gilt. Genau das hatten Trump und die Republikaner der abgelösten Fed Chefin Janet Yellen ja - zu Unrecht - immer wieder vorgeworfen.

Der Witz ist, dass Yellens Nachfolger Jerome Powell die Institution bisher so geräuschlos durch das politische Alltagsgetöse steuert, als habe es nie einen Führungswechsel gegeben. Er vermeidet es, auf Provokationen einzugehen, auch auf präsidiale, und setzt Yellens Kurs der langsamen, stetigen zinspolitischen Normalisierung fort. Mit Randal Quarles und Richard Clarida hat er zwei Stellvertreter, die ebenfalls ausgewiesene Fachleute sind, der eine für Banken, der andere für Geldpolitik. Claridas Nominierung war etwa Bundesbankchef Jens Weidmann ein Sonderlob wert.

Auch Michelle Bowman und Nellie Liang sind ausgezeichnete Kandidatinnen. Liang etwa, die nicht nur Demokratin ist, sondern auch das erste asiatisch-stämmige Mitglied der Fed-Führung werden könnte, hat sich während der Finanzkrise bei der Fed einen Namen als resolute Bankenaufseherin gemacht. Jemand wie sie kann die Notenbank angesichts wachsender Gefahren auf den Finanzmärkten bestens gebrauchen. Und - auch das ist nicht gänzlich unwichtig und bei Trump keineswegs selbstverständlich: Drei der sieben Vorstandsmitglieder sind künftig Frauen.

Der vielleicht einzige Ausreißer in dem Qualitätsseptett ist Marvin Goodfriend, der wegen übertriebener früherer Inflationswarnungen kritisiert wurde und wie Bowman und Liang noch nicht im Amt bestätigt ist. Doch auch er, der orthodoxe Mahner, täte der Fed gut, denn es ist auch der Mix geldpolitischer Falken wie Goodfriend und Tauben, der die Qualität eines Notenbankvorstands ausmacht.

Nach 20 Monaten im Amt kann man sagen: Sein Land hat Trump bisher nicht wieder groß gemacht - wohl aber die Notenbank. Fünf Jahre lang war die Fed geschwächt, weil Vorstandsposten wegen des parteipolitischen Gerangels im Kongress unbesetzt blieben und sich zu wenige Menschen zu viel Arbeit teilen mussten. Das wird sich künftig ändern. Doch Trump wäre nicht Trump, würde er seiner Hände Arbeit nicht gern mit dem Hintern wieder einreißen. Setzt er etwa sein Genörgel über die Zinserhöhungen der Fed fort, wird er jenes Vertrauen in die Notenbank irgendwann zerstören, das er mit seiner Personalpolitik jetzt selbst gestärkt hat.

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