Kommentar:Steuern runter

Nach Corona ist die Welt eine andere. Deshalb ist es Zeit, über neue Rahmenbedingungen nachzudenken.

Von Marc Beise

Mensch, wie langweilig! Wieder einer dieser Kommentare mit ewig gleicher Forderung. Wirtschaft entlasten. Steuern runter. Energiepreise senken. Bürokratie abbauen. Die übliche Litanei, bekannt, seit es Interessenverbände für die Unternehmen gibt. Oder doch nicht? Lassen wir uns doch, einmal noch, kurz auf dieses Gedankenspiel ein.

Nur weil etwas immer wieder gefordert wird, muss es nicht richtig sein? Stimmt. Umgekehrt gilt aber auch: Nach Corona ist die Welt eine andere. Wer wirklich erwartet, dass in einem Jahr oder womöglich schon in einigen Monaten alles wieder sein wird wie vorher, der hat die epochale Wirkung dieser Seuche nicht verstanden, die so tückisch wie langwierig wie exemplarisch für weitere Krisen ist. Es wird eben nicht mehr alles so werden wie vorher, weder in den Büros noch im Flugverkehr und vermutlich nicht mal bei den zwischenmenschlichen Beziehungen.

Und eben auch nicht in der Wirtschaft insgesamt, die sich nur mühsam von dem Einbruch des Jahres 2020 erholen wird - und dann obendrein heftig von den Veränderungen durch die Digitalisierung gefordert sein wird. In der Corona-Krise ist viel von exponentiellem Wachstum die Rede: nicht 1, 2, 3, 4, 5, sondern 1, 2, 4, 8, 16. So war das bei den Infektionszahlen des Virus, und so ähnlich wird es im jetzt beginnenden Jahrzehnt mit den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung sein. Weshalb es so wichtig ist, jetzt über mögliche neue Rahmenbedingungen nachzudenken. Und da können plötzlich die ewig gleichen Forderungen zu einer sinnvollen Strategie werden.

Wer das verstanden hat, ist - Ehre, wem Ehre gebührt - der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Er war ebenso wie sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Armin Laschet und Bundeskanzlerin Angela Merkel Gast beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Merkel, die bei der nächsten Bundestagswahl im September 2021 nicht mehr antreten will, fokussiert sich voll aufs Krisenmanagement. Aber auch Laschet, der Merkel-Nachfolger werden will, fährt auf Sicht. Anders Markus Söder, CSU, auf dem Posten des Reserve-Kanzlerkandidaten der Union. Es funktioniere nicht, sagt Söder, immer neue Kredite aufzunehmen, Überbrückungsgelder zu verteilen und dann auch noch die Steuern zu erhöhen; kleiner Seitenhieb an SPD und Linkspartei. Vielmehr müsse ein Aufschwung organisiert werden, es gehe darum, jetzt kommt ein echter Söder: "die Wirtschaft nicht nur zu narkotisieren, sondern zu stimulieren".

Dazu will der Franke nicht bei den Bürgern ansetzen, nicht zuerst über Solidarität und Gerechtigkeit reden, sondern ausdrücklich die Unternehmen entlasten. Und das ist richtig so, denn aus der Krise findet das Land nach dem Einbruch nur über wieder mehr Wachstum. Wachstum, das - grob gesagt - zu wieder mehr Arbeitsplätzen führt, zu mehr Steuereinnahmen und höheren Beiträgen bei den Sozialversicherungen.

Unternehmen brauchen Hilfe in der neuen digitalen Welt

Den Firmen wiederum hilft man unkompliziert in der Steuertechnik, indem zum Beispiel der sogenannte Verlustrücktrag verlängert wird, sie ihre Steuerschuld also strecken können, das kann vor Liquiditätsproblemen schützen. Zugleich will Söder aber auch die Steuerlast der Unternehmen "drastisch" senken, und auch das ist richtig. Denn in den vergangenen guten Jahren ist übersehen worden, dass die vor einigen Jahren erreichte steuerliche Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich wieder verloren gegangen ist; andere waren schneller.

Steuernachlässe allein können der deutschen Wirtschaft aber auch nicht helfen, Unternehmen brauchen Unterstützung in der neuen digitalen Welt, auch hier ist der Staat gefordert. Das beginnt bei Steuervorteilen für Forschung und Entwicklung und endet bei einer attraktiven Forschungslandschaft, die das Wissen entwickelt und bereitstellt, das Unternehmen brauchen. Und auch da hat Söder die Pläne schon in der Schublade, er will die Kapazitäten der Universitäten im Freistaat ausbauen, "drastisch", wie das seine Art ist, um bei künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und neuen Technologien weltweit in der Spitze mitmischen zu können. Das klingt aus dem Mund von Söder häufig nervig und großsprecherisch - aber es ist der Erfolg versprechende Weg. Und es ist auch richtig, jetzt zu planen und zu entscheiden, obwohl das Land noch unter der Geißel von Corona ächzt. Heißt also: zur Nachahmung empfohlen.

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