Kommentar:Schuld sind die Regierungen

EZB-Präsident Draghi ist nicht verantwortlich für die lockere Geldpolitik. Starke Staaten sollten mehr investieren.

Von Björn Finke

Ein deutsches Boulevardblatt zeigte Mario Draghi, den scheidenden Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), als "Graf Draghila", der mit seinen Strafzinsen die Konten der Sparer leer sauge. Etwas seriöser, doch ähnlich hart in der Sache kritisierten konservative Politiker die jüngste Entscheidung des Italieners, die ohnehin ultra-lockere Geldpolitik noch mehr zu lockern. Tatsächlich sind Null- und Minus-Zinsen eine Zumutung; sie begünstigen gefährliche Blasen an den Immobilienmärkten, und mit jeder weiteren Dosis wachsen die üblen Nebenwirkungen von Draghis Medizin.

Aber der Schurke in diesem Trauerspiel ist nicht Draghi, sondern es sind die Regierungen der Staaten mit der Euro-Währung. Die Geldpolitik ist lax, weil die Eurozone zu schwach für ein härteres Regiment aus der Frankfurter EZB-Zentrale wäre. Der Kontinent steuert nach einem langen Auf- nun auf einen Abschwung zu, und manche Regierungen haben ihre Länder während der guten Jahre leider nur schlecht auf die mageren vorbereitet. Zu viele Schulden, zu wenige Reformen, um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen - Italien ist hier ein abschreckendes Beispiel.

Andere Regierungen betrieben eine solide Haushaltspolitik; sie haben Überschüsse erwirtschaftet und die Schulden gesenkt, genau wie es sich im Aufschwung gehört. Doch in Krisenzeiten sollten diese Regierungen, etwa die deutsche, den gewonnenen Spielraum ausschöpfen und die Konjunktur mit höheren Ausgaben ankurbeln. Eine schwarze Null im Haushalt darf kein Selbstzweck sein. Es geht ja nicht darum, Geld für Renommierprojekte zu verplempern oder es nach Italien zu überweisen. Es geht darum, die Finanzstärke und die rekordniedrigen Zinsen für sinnvolle Investitionen und zur Entlastung der Bürger zu nutzen.

Je mehr Verantwortung die Regierungen übernehmen, desto einfacher ist es für Draghi und seine Nachfolgerin Christine Lagarde, die Wirtschaft langsam von der Droge des billigen Geldes zu entwöhnen. Für starke Eurostaaten wie Deutschland bedeutet Verantwortung, im Abschwung gegenzusteuern. Für Krisenfälle wie Italien geht es darum, endlich die Finanzen in den Griff zu bekommen und das Land attraktiver für Unternehmen und Investoren zu machen. Was die Eurozone daher braucht, ist ein Pakt zwischen Starken und Schwachen: Wir investieren mehr, wenn ihr eure Probleme löst. Lagarde würde es den Regierungen danken.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: