Süddeutsche Zeitung

Warenhauskonzern:Für Kaufhof geht es kaum schlimmer

Als Hudson's Bay Company einstieg, war Kaufhof ein grundsolides Unternehmen. Innerhalb von drei Jahren wurde es heruntergewirtschaftet. Nicht nur die Beschäftigten sind empört, mit welcher Hybris die Eigentümer Kaufhof ins Bodenlose stürzen lassen.

Kommentar von Michael Kläsgen

Armer Kaufhof. Es ist erschütternd, mit anzusehen, wie er in nur drei Jahren in Grund und Boden gewirtschaftet wurde. Das ist das Wirtschaftliche. So richtig fassungslos macht einen das Gebaren derjenigen, denen der Kölner Warenhauskonzern gehört. Sie sitzen größtenteils in New York und führen von dort aus die in Kanada ansässige Kaufhof-Mutter Hudson's Bay Company. Nicht nur die Beschäftigten empört, mit welcher Nonchalance und Hybris diese Eigentümer Kaufhof ins Bodenlose stürzen lassen, und dabei so tun, als sei alles in bester Ordnung, "great" und "amazing".

2015 war Donald Trump noch nicht gewählt, da praktizierten die damals neuen Kaufhof-Besitzer schon virtuos den postfaktischen Kommunikationsstil, für den der US-Präsident heute berüchtigt ist. Sie waren die Vorboten von Fake News auf Unternehmensseite. "We will make Kaufhof great again." So ähnlich sagte das der inzwischen gefeuerte Chef der Kaufhof-Mutter, Jerry Storch, wirklich. Heute steht Kaufhof, 2015 noch ein grundsolides Unternehmen mit fast 140-jähriger Geschichte, am Rande der Pleite. Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.

Die Realität ist schriller als die Fiktion

Die Amerikaner scheint das kaum zu jucken. Von Einsicht keine Spur. Stattdessen machen sie intern Hatz auf "Verräter", die die Wahrheit leaken. Chairman Richard Baker fliegt mit seinem Schoßhund durch die Welt und krault ihn intensiv auf Sitzungen, in denen er seine alternativen Wahrheiten über Kaufhof verbreitet. Man wähnt sich im Kino, in Filmen wie Wag the Dog, zumal Baker Dustin Hoffman nicht unähnlich sieht, und wird doch gewahr: Die Realität ist schriller, als sich das bisweilen auch die fantasievollsten Regisseure ausdenken können.

Unvergesslich auch die Verwunderung des Top-Managements über die Loyalität der Kaufhof-Mitarbeiter zu ihrem Unternehmen. Wie Menschen so sehr an ihrem Arbeitgeber hängen können, das verstehen sie nicht: irgendwie altbacken erschien ihnen das. So, als sei es in Zeiten des Postfaktischen doch egal, wenn das eigene Unternehmen an die Wand fährt. Hauptsache, man hat persönlich einen guten Schnitt gemacht.

Kurzum: Es kann kaum schlimmer kommen für Kaufhof. René Benko wird diese Abgründe kaum toppen können. Klar, Immobilienunternehmer sind in Deutschland zu Recht nicht tadellos beleumundet. Und dem Karstadt-Besitzer und Selfmade-Mann aus Tirol wird wohl ebenfalls zu Recht ein gewisses Faible für das Teure und Luxuriöse nachgesagt. Aber Karstadt hat er wieder auf die Beine gestellt, und das sind keine "Fake-News".

Warum ließen sich angebliche Top-Manager hinters Licht führen?

Ob ihm das auch mit Kaufhof gelingen wird, weiß niemand. Wenig hilfreich sind beim Blick in die Zukunft allerdings Beraterweisheiten, wonach es für zwei Warenhäuser in Deutschland eh keinen Platz gebe. Wahrscheinlich gäbe es sogar Platz für fünf oder zehn, wenn denn jedes einzelne seine Kunden auf welche Weise auch immer begeistert. Nur: Von Kaufhäusern, wie das Gros von Karstadt und Kaufhof sie darstellen - austauschbar, verschnarcht und uninspiriert, braucht man streng genommen gar keines. Da kauft man lieber im Internet.

Viel interessanter ist ohnehin die gesellschaftspsychologisch spannende Frage, wie sich vor drei Jahren eine Heerschar von angeblichen Handelsexperten und Top-Managern hierzulande dermaßen von der Fake-Story der Amerikaner hat hinter die Fichte führen lassen. Gewiss, wir Menschen glauben an plausible Geschichten, und die lieferte die 350 Jahre alte Hudson's Bay Company eher als der 41-jährige Österreicher. Dabei schwang wahrscheinlich auch eine gewisse Amerikahörigkeit und Arroganz gegenüber den europäischen Nachbarn mit. Darüber könnte man im Zuge der Kaufhausfusion auch mal nachdenken.

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SZ vom 08.09.2018/csi
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