Kommentar:Rausch und Regeln

Die Razzien in Hanf-Shops sind nicht angemessen. Es mag sein, dass ein paar Cannabisprodukte den erlaubten THC-Gehalt von 0,2 Prozent leicht überschreiten, doch solche Abweichungen sind einem Naturprodukt immanent.

Von Kathrin Konyen

Die Ware konfisziert, der Ruf ruiniert: Händler von Cannabisprodukten mussten in den vergangenen Monaten einiges ertragen. Dabei könnten sie eine hoffnungsfrohe, junge, wachsende Branche sein - also eigentlich genau das, was die lokalen Wirtschaftsförderungen gerne sehen. Doch statt staatliche Unterstützung zu erfahren, wurden zahlreiche Hanf-Shops von Razzien überrascht. Die Ermittler sind Produkten auf der Spur, die die Verkäufer als entspannend und beruhigend vermarkten.

Es geht in diesen Fällen nicht um klassische Kifferware wie Joints oder andere Mittel mit nennenswertem Gehalt an berauschendem THC, sondern vor allem um Tees und Öle aus Hanf, in denen THC nur in winzigen Mengen vorkommt. Das Betäubungsmittelgesetz hat kein Problem mit diesen Waren, wenn der THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liegt. Die meisten Verkäufer versichern, dass ihre Produkte diese Grenze auch einhalten - obwohl bei einzelnen Proben in der Tat ein THC-Gehalt von 0,3 Prozent festgestellt wurde. Das verstößt dann natürlich gegen das Recht, aber anstatt die Händler zu verwarnen und die entsprechend getesteten Produkte auszusortieren, ist der Strafverfolgungsdruck durch die Behörden hoch, was die Händler wirtschaftlich hart trifft. Das ist nicht angemessen bei so geringen Abweichungen, denn die sind einem Naturprodukt immanent.

Eine Legalisierung würde die Konsumenten schützen und wäre volkswirtschaftlich von Nutzen

Die Behörden unterstellen den Hanfprodukten durch ihr hartes Vorgehen mitunter, dass sie für "Rauschzwecke" missbraucht werden können, was das Gesetz verbietet. Aber ernsthaft zu befürchten, dass Käufer so viel Cannabistee trinken könnten, bis sie high sind, ist absurd. Wer das wollte, würde sich wohl eher "richtiges Gras" auf dem Schwarzmarkt besorgen.

Die Razzien in den Hanf-Shops schrecken Kunden und Unternehmer ab. Wer mit Gewinnabsicht und nicht nur aus Idealismus heraus Hanfprodukte verkaufen möchte, den verunsichert die derzeitige Rechtslage. Die Durchsuchungen senden ein Signal: Deutschland vertut erneut eine Chance auf dem Cannabismarkt, der in den kommenden Jahren weltweit weiter wachsen wird, und das völlig unabhängig davon, ob einem diese Entwicklung gefällt oder nicht.

Schon die Legalisierung von medizinischem Hanf lief in Deutschland aus geschäftlicher Sicht schief. Die Ausschreibungen für den Anbau des sogenannten Medizinal-Hanfs hatten sich so sehr verzögert, dass am Ende ausschließlich kanadische Firmen und deren deutsche Niederlassungen die Zuschläge bekommen haben. Deutsche Unternehmer gingen leer aus. Und die genehmigte Anbaumenge deckt bei Weitem nicht den Bedarf der hiesigen Patienten. Bei potenziellen deutschen Unternehmern und Investoren verstärkt sich der Eindruck: Eine starke deutsche Cannabisindustrie ist nicht erwünscht, Deutschland bleibt bei Cannabis von Importen abhängig.

Häufig wagen sich diejenigen ins Cannabisgeschäft, die darauf spekulieren, dass THC künftig gänzlich legalisiert wird. Völlig abwegig erscheint ein solcher Geschäftsplan nicht. In anderen Ländern ist die gesellschaftliche Debatte schon weiter; Kanada ist 2018 als erste große Volkswirtschaft diesen Schritt gegangen. Immer mehr Politiker fragen, ob es noch zeitgemäß ist, Cannabiskonsum, -handel und -anbau strafrechtlich zu belangen, und wie gravierend die möglichen Nachteile einer Legalisierung tatsächlich wären. Das derzeitige Recht ist sowieso offenkundig nicht in der Lage, Cannabiskonsumenten spürbar abzuschrecken.

Die Gesellschaft muss vor Suchtmitteln geschützt werden, dieses Bedürfnis ist berechtigt. Insbesondere Kinder und Jugendliche sollten davor bewahrt werden, ihrer Gesundheit Schaden zuzufügen. Aufklärende Kampagnen wie beim Alkohol können dabei eine wichtige Rolle spielen. Außerdem werden Cannabiskonsumenten nach einer Legalisierung besser vor gepanschtem Gras geschützt, als es derzeit der Fall ist.

Eine Legalisierung wäre auch volkswirtschaftlich von Nutzen. Neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze würden entstehen. Und wenn es keinen Schwarzmarkt mehr gäbe, würde der Staat über die Steuer mitverdienen, während er zugleich weniger Geld für Polizei und Justiz ausgeben müsste. Ökonomen schätzen, dass dem deutschen Staat dadurch jährlich ein Plus von mehr als 2,5 Milliarden Euro bleiben würde. Von heute auf morgen ist eine Legalisierung jedoch derzeit nicht in Sicht. Ein guter erster Schritt wäre es aber, Händler mit legalen Hanfprodukten nicht mehr so hart zu verfolgen.

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