Kommentar:Raus aus dem Teufelskreis

Es ist aber auch verflixt mit dem Klimaschutz. Nimmt die Welt ihn ernst, sinkt die Nachfrage nach Öl, und damit der Preis und der Anreiz zum Energiesparen. Aber die Politik kann hier eingreifen: mit einer klugen Steuerpolitik.

Von Michael Bauchmüller

Es ist aber auch verflixt mit dem Klimaschutz. Nimmt die Welt ihn ernst, dann braucht sie von Jahr zu Jahr weniger fossile Rohstoffe. Dann wird auch die Nachfrage nach Erdöl, nur zum Beispiel, kontinuierlich zurückgehen - und nicht leicht wachsen, wie die Opec erwartet. Mit dem Ergebnis, dass das globale Angebot an Erdöl die Nachfrage irgendwann übersteigt. Es braucht keine höhere Mathematik, um die Folgen zu ahnen: Mit dem Überfluss fällt der Preis, und wenn der Preis fällt, erlahmt die Motivation zum Klimaschutz. Ein Teufelskreis.

Wenn nun vier Parteien die Chance haben, sich ein neues Regierungsprogramm zu geben, dann sollten sie in diesen Teufelskreis eingreifen. Sie hätten die Gelegenheit, die Modernisierung dieses Landes massiv zu beschleunigen - mit kluger Steuerpolitik. Und das heißt: Stromsteuern runter, Steuern auf klimaschädliche Treib- und Heizstoffe rauf.

Was niedrige Ölpreise ausrichten können, lässt sich an den deutschen Klimastatistiken schon seit Jahren ablesen. Weil Erdöl so günstig ist, wird hierzulande wieder mehr Auto gefahren. Dass die deutsche Auto-Flotte, Dieselskandale hin oder her, so effizient unterwegs ist wie nie zuvor, das verpufft völlig. Das neue Auto verbraucht zwar viel weniger als das alte, aber dafür ist es eine halbe Tonne schwerer und der Motor doppelt so groß. An der Zapfsäule schmerzt das kaum. Im Güterverkehr gewinnen Lastwagen in den vergangenen Jahren wieder Marktanteile, und der Energieverbrauch je transportierter Tonne nimmt zu. Seit 1990 hat Deutschland die klimaschädlichen Emissionen massiv drosseln können, und das in nahezu allen Bereichen. Nur im Verkehr - da tat sich so gut wie nichts.

Ein Dilemma: Wer schmutzige Energien verdrängt, macht sie billiger und damit attraktiver

Das Öl-Dilemma setzt sich fort in deutschen Häusern. Will Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts tatsächlich weitgehend klimaneutral wirtschaften, dann müsste es ein Land voller Passivhäuser werden, in dem ältere Gebäude entweder gut gedämmt sind oder ihre Heizenergie aus erneuerbaren Quellen beziehen. Schließlich entfällt mehr als ein Drittel der Energie in Deutschland auf Heizen und Warmwasser. Jährlich zwei Prozent der Gebäude, so wünschte es sich die Bundesregierung, sollten deshalb saniert werden - doch die Quote dümpelt seit Jahren bei unter einem Prozent. Kein Wunder: Je niedriger der Ölpreis, desto weniger rechnet sich die Sanierung. So aber wird es nichts mit dem sauberen Deutschland.

Das ist bitter für die Alternativen. In Gebäuden etwa könnten das, neben der Dämmung, Wärmepumpen sein; sie wandeln Wärme aus der Umgebung in Heizenergie für das Haus. Sie brauchen kein Öl, sondern Strom. Auf der Straße könnte das, noch viel populärer, das Elektroauto sein: kein Öl, aber Strom. Der Weg in ein Land mit nur noch minimalen Treibhausgas-Emissionen ist verdammt weit. Aber jetzt ist eines sicher und etwas anderes wahrscheinlich: Ganz sicher wird es ein Land ohne Diesel, Heizöl und Benzin sein. Und mit großer Wahrscheinlichkeit tritt an ihre Stelle der Strom.

Wenn aber die Märkte dazu die Signale nicht geben, wenn im Gegenteil ein niedriger Ölpreis den Status quo zementiert, dann wird der Kurswechsel zur Aufgabe der Politik. Sie könnte etwa damit beginnen, vermehrt die Kohlendioxid-Emissionen zu besteuern, die mit Mineral- und Heizöl einhergehen. Und sie könnte im Gegenzug die staatlichen Belastungen des Strompreises reduzieren. Vorschläge gibt es schon, sie reichen von der Absenkung der Stromsteuer bis zur Finanzierung der Energiewende aus Steuermitteln. Verbraucher würden an der Zapfsäule und im Heizkeller belastet, bei der Stromrechnung aber entlastet. Vor allem aber verschöben sich die Gewichte vom klimaschädlichen zum klimafreundlichen Konsum. Anders wird die Modernisierung nicht gelingen - erst gar nicht in einer so verflixten Welt, in der die schmutzigsten Energieformen umso billiger werden, je erfolgreicher sie zurückgedrängt werden.

Schon klar: Eine Debatte über Spritpreise geht an das Allerheiligste der Nation; und wer Heizöl und damit die Wärme verteuern will, der erntet rasch den Vorwurf der sozialen Kälte. Höhere Energiekosten treffen jene am härtesten, die sich eine effizientere Heizung oder ein sparsameres Auto nicht leisten können. Es wird also mit der Erhebung neuer oder höherer Steuern nicht getan sein; sie müssen flankiert werden von Entlastungen für niedrige Einkommen, von Investitionszuschüssen oder Steueranreizen für saubere Alternativen.

Am Ende winkt eine gigantische Entlastung: Im vorigen Jahr importierte die Bundesrepublik Erdöl im Wert von gut 26 Milliarden Euro. Was ließe sich mit so viel Geld nicht alles anstellen.

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