Kommentar:Rauft euch zusammen

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Deutsche Konzerne tun sich schwer in der Zusammenarbeit. Allianzen wie Paydirekt und Verimi wollen den US-Datenkraken Konkurrenz machen - haben aber kaum Erfolge vorzuweisen. Woran das liegt und was das mit Fußball zu tun hat.

Von Nils Wischmeyer

Wenn Deutschland Fußball guckt, sagt früher oder später immer einer diesen Satz: "Das hätte ich ja anders gemacht." Denn die Deutschen wissen es besser, immer. Jeder hat eine Meinung und hätte da gerne noch ein Wörtchen mitzureden. Es ist genau dieses Phänomen, das auch vor den deutschen Unternehmen nicht haltmacht, zumindest, wenn es um Kooperationen miteinander geht. Und genau das wird in der digitalen Welt gefährlich.

Denn um gegen die großen Datenkraken aus den USA aufzubegehren, müssen sich die deutschen Firmen zusammentun, sonst haben sie wenig Chancen. Die Einsicht ist inzwischen da und die Taten sind auch gefolgt: Tatsächlich schmieden einige Großkonzerne und Banken Allianzen mit großen Plänen: Sie wollen Facebook angreifen, Google angreifen, Paypal angreifen. Bisher jedoch ist erschreckend wenig dabei herumgekommen.

Einer der Hauptgründe ist, dass alle Partner mitbestimmen wollen. Niemand will Einfluss oder Macht abgeben. Das hilft nicht. Es müsste endlich einer aufstehen und vorangehen, der Rest sich zusammenraufen und folgen.

Allianzen wie Paydirekt oder Verimi sind für die gesamte Gesellschaft wichtig

Die Beispiele der Datenallianz Verimi und des Online-Bezahldienstes Paydirekt stehen stellvertretend dafür, was bei den Kooperationen schiefläuft. Verimi soll ein universeller Log-In für alle wichtigen Webseiten sein und Facebook oder Google Konkurrenz machen, Paydirekt soll sich als Online-Bezahldienst gegen Paypal durchsetzen. Doch bei beiden stehen die Erfolgschancen schlecht. Paydirekt hat auch drei Jahre nach dem Start nur ein Zehntel der Kunden von Paypal. Verimi ist grade erst gestartet - und hat bereits seine Chefin verloren.

Zunächst einmal haben beide Allianzen viel zu lange gebraucht, um sich überhaupt zu einer Zusammenarbeit durchzuringen. Dabei liegt eine solche eigentlich auf der Hand. Ohne können sie nicht gegen die digitale Übermacht der Internetkonzerne ankommen. Ein Log-in für verschiedene Webseiten ist genau so wenig neu wie ein Bezahldienst fürs Internet. Doch während die US-Unternehmen vorangegangen sind und fleißig Marktanteile gesammelt haben, konnten sich die deutschen Unternehmen lange auf nichts einigen.

Womit die Vorhaben direkt ins nächste Problem rutschten: Es mangelt ihnen an Nutzern. Paydirekt hat noch immer kaum Händler auf der Plattform, bei denen der Kunde bezahlen könnte. Warum sollten sich dann Kunden registrieren, wenn sie das Produkt kaum nutzen können? Und warum sollten sich mehr Händler anschließen, wenn sich keine Kunden auf der Plattform tummeln?

Es ist das klassische Henne-Ei-Problem, das auch Verimi hat: Der grüne Verimi-Button ist seit dem Start bei gerade einmal zwei Gesellschaftern, der Deutschen Bank und der Bundesdruckerei, freigeschaltet. Und das, obwohl zehn deutsche Konzerne beteiligt sind, darunter Daimler, Telekom, Lufthansa oder die Allianz. Ein pompöser Einstieg mit viel Marketing-Tam-Tam hätte die Kunden auf das Gemeinschaftsunternehmen aufmerksam und neugierig gemacht. Dieses Potenzial wurde verschenkt.

Donata Hopfen hat bei Verimi gezeigt, wie so eine Zusammenarbeit der Hochkaräter funktionieren könnte. Die mittlerweile Ex-Chefin von Verimi hat in weniger als sieben Monaten ein gut funktionierendes Unternehmen aufgebaut und das Projekt der deutschen Dax-Konzerne vorangetrieben. Kaum ging es aber in die entscheidende Phase, hoben die anderen Geschäftsführer die Hand und wollten mitreden, pochten auf Gleichberechtigung. Keiner wollte zurückstecken. Entscheidungen sollten doch bitte gemeinsam getroffen werden.

Damit muss nun endgültig Schluss sein. Die deutschen Unternehmen müssen ihren Stolz runterschlucken, einsehen, dass sie ohne Kooperationen nicht weiterkommen. Sie müssen aufhören, in die Allianzen hineinzuregieren. Stattdessen sollten sie einen starken Chef an die Spitze der Allianzen setzen.

In der digitalen Welt werden sie untergehen, wenn sie sich nicht zusammenraufen. Denn die künftige Wirtschaft wird von künstlicher Intelligenz geprägt sein. Und deren Grundlage sind Daten. Will Europa weiter am Ball bleiben, sollte es nicht alle Kundendaten ins Ausland abfließen lassen. Allianzen wie Verimi und Paydirekt knüpfen genau daran an. Im Gegensatz zu den US-Konkurrenten sind sie auf die deutschen Datenschutzbedürfnisse zugeschnitten. Wenn sie erfolgreich sind, profitieren nicht nur die Unternehmen dahinter, sondern die gesamte Gesellschaft.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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