Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Paradies für Geldwäscher

SPD und Union nehmen eines der wichtigsten Gebiete der Kriminalitätsbekämpfung nicht ernst genug - das zeigen auch die Wahlprogramme. Den Schaden haben die Bürger.

Von Markus Zydra

Viele Bürger wünschen sich von der nächsten Bundesregierung, dass sie Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung resoluter bekämpft. Immerhin waschen kriminelle Banden in Deutschland jährlich rund 100 Milliarden Euro ihrer schmutzigen Umsätze aus Prostitution, Drogen- und Waffenhandel. Darüber hinaus entgehen der Staatskasse jedes Jahr 14 Milliarden Euro durch illegale Umsatzsteuerkarusselle. Die quantitativen Kosten dieser Finanzkriminalität sind den Regierenden seit über 20 Jahren bekannt. Der akkumulierte Schaden liegt im Billionenbereich. Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Die Summe entspricht in etwa der deutschen Staatsverschuldung.

Dennoch nimmt der Kampf gegen Geldwäsche in den Wahlprogrammen der deutschen Parteien keine prominente Rolle ein. Vor allem die Noch-Regierungsparteien SPD und CDU lassen es mit ihren Vorschlägen an Biss vermissen. Im Wahlprogramm der FDP findet das Problem der Geldwäsche überhaupt keine Beachtung.

Illegale und dunkle Finanzströme sind Ergebnis und Nährboden schlimmer Verbrechen. Erst wenn es einem Drogenboss oder korruptem Politiker gelingt, das ergaunerte Geld in den Äther des Finanzsystems zu schleusen, kann er die Beute "legal" nutzen. Der Kampf gegen intransparente Finanztransaktionen ist daher die effizienteste Waffe gegen die Kriminalität an sich sowie gegen die Unterwanderung und Korrumpierung unserer Gesellschaft.

Dennoch brauchte es eine Osnabrücker Staatsanwaltschaft, die im Bundesjustiz- und Bundesfinanzministerium mit einem Durchsuchungsbeschluss auftauchte, um das wichtige Thema kurz vor der Bundestagswahl in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Die Financial Intelligence Unit (FIU) - dort werden Verdachtsmeldungen zur Geldwäsche gefiltert - steht unter dem Verdacht der Strafvereitelung im Amt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat die Rechtsaufsicht über die FIU. Die Behörde steht seit ihrem Ortswechsel vom Bundeskriminalamt zum Zoll in der Kritik. Scholz sagt, unter seiner Regie habe sich die Geldwäschebekämpfung verbessert. Doch diese Aussage wirkt grotesk.

Der Bundesrechnungshof stellte jüngst klipp und klar fest, dass die FIU ihrem gesetzlichen Auftrag, insbesondere ihrer Filterfunktion, nicht gerecht wird. Bundes- und Landesregierungen haben es fahrlässig versäumt, der Behörde wichtige Zugriffsrechte auf Polizei- und Steuerdaten möglicher Verdächtiger zu geben. Scholz hat Fehler gemacht in der Geldwäschebekämpfung. Er sprach sich auch gegen ein Verbot der Barzahlung bei Immobiliengeschäften aus. Dabei sind es bestimmt nur Kriminelle, die ihre Eigentumswohnung bar bezahlen würden.

Das schmutzige Geld der Kriminellen untergräbt den Rechtsstaat

Geldwäsche ist eine Straftat, ihre Bekämpfung ist seit 1991 Europarecht. Die Bundesregierung unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel musste 2012 im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission einräumen, dass sie bis dahin noch nicht einmal die erste EU-Richtlinie von 1991 vollständig umgesetzt hatte. In Deutschland können Kriminelle bis heute nahezu problemlos Geld waschen. Für die Kontrolle der Immobilienmärkte, von Casinos, Juwelieren und Autohändlern sind Behörden der Bundesländer zuständig. Sie müssten sicherstellen, dass diese sogenannten "Verpflichteten" verdächtige Geschäfte bei der FIU melden. Doch die Kontrollbehörden sind unterbesetzt. Im Schnitt muss ein Verpflichteter alle 200 Jahre mit einer Kontrolle rechnen, notierte der Bundesrechnungshof spitz. Führende italienische Anti-Mafia-Staatsanwälte bezeichnen Deutschland seit einer Dekade als Geldwäscheparadies und warnen, die Mafia würde Germania unterwandern. Deutsche Regierungspolitiker meinen: Mafia non esiste.

Sicher ist: Das schmutzige Geld der Kriminellen untergräbt den Rechtsstaat. Den Schaden tragen die ehrlichen Bürger. Die nächste Bundesregierung muss den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung priorisieren. Ein wirksames Instrument wäre die entschlossene Anwendung der "Beweislastumkehr": Die Justiz sollte verdächtige Sach- oder Geldvermögen konfiszieren, es sei denn, der Eigentümer kann die legale Herkunft des Geldes lückenlos belegen. In Italien ist das im Kampf gegen die Mafia seit 1983 die Regel - in Deutschland die absolute Ausnahme.

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