Kommentar:Neue Kraft aus Finnland

Wird das das große Comeback von Nokia? Wenn der Zusammenschluss mit Alcatel gelingt, entsteht ein neuer großer Netzwerkausrüster im weltweiten Konkurrenzkampf.

Von Caspar Busse

Es ist eine dieser Milliardenübernahmen, die gerade im Wochenrhythmus die globale Wirtschaftswelt durcheinanderbringen. Pharma, Logistik, Telekommunikation: Die Gelegenheiten sind momentan gut, das Geld billig, die Aktienkurse hoch, die Stimmung blendend. Nun gab Nokia-Chef Rajeev Suri bekannt, dass er den französischen Konkurrenten Alcatel-Lucent übernehmen will - für fast 16 Milliarden Euro. Beide Unternehmen bauen auf der ganzen Welt Telekommunikationsnetze. Es wäre der größte Zusammenschluss in der Branche seit vielen Jahren, den Nokia mit eigenen Aktien bezahlen will.

Wenn alles wie geplant klappt, könnte es durchaus die Geschichte eines großen Comebacks werden. Viele Jahrzehnte lang war Nokia das finnische Vorzeigeunternehmen. Die Firma, die schon im 19. Jahrhundert als Papierproduzent gegründet wurde und später Gummistiefel und Fahrradschläuche herstellte, belieferte schließlich aus dem kleinen Vorort Espoo in der Nähe von Helsinki die Welt mit Mobiltelefonen. Nokia dominierte die internationalen Märkte, Umsatz und Gewinn stiegen in immer neue Höhen. Nokia - das war eine allseits bekannte Marke, eines der wenigen Unternehmen, das nicht aus den USA oder aus Asien stammte und doch zu den ganz Großen in der Hightech-Branche gehörte.

Doch diese Erfolgsgeschichte ist lange vorbei. Der Absturz in den vergangenen Jahren war jäh und hart. Der Markt wurde völlig falsch eingeschätzt, schnell war der Anschluss verpasst, dazu kamen Managementfehler. Am Ende verkaufte Nokia den kümmerlichen Rest seines einst so gefeierten Handy-Geschäfts an den US-Konzern Microsoft und konzentrierte sich fortan auf den Bau von Telekommunikationsnetzen. Nokia, das kann man wohl sagen, geistert seitdem als eine Art Untoter durch die Wirtschaftswelt. Ja, das Unternehmen gab es noch, aber die große Zeiten waren definitiv vorbei.

Nun gibt es ein neues, hoffnungsvolles Lebenszeichen aus Espoo. Mit der Übernahme von Alcatel-Lucent will Nokia sich neu erfinden. Die Finnen wollen dahin zurück, wo sie einst waren: an die Spitze des Weltmarktes. Die Chancen sind nicht so schlecht. Die Franzosen stimmen der Fusion zu, selbst Frankreichs Präsident François Hollande hat seinen Segen gegeben. Zusammen liegen die beiden beim Bau von festen und mobilen Netzen für Internet und Telefonie vorne, knapp vor dem bisherigen Marktführer Ericsson und mit etwas Abstand vor den aggressiven Herausforderern aus China. Und Größe ist im Geschäft mit der Infrastruktur des 21. Jahrhunderts von enormem Wert.

Es ist ein sensibler Markt: Sicherheit und Zuverlässigkeit spielen eine große Rolle

Aber tun sich mit Nokia und Alcatel-Lucent nicht zwei Schwache zusammen? Eine Notfusion sozusagen? Es stimmt, dass beide Unternehmen zuletzt schwer zu kämpfen hatten. Der Wettbewerb ist hart. Unternehmen wie Huawei aus China oder Cisco aus den USA attackieren die Europäer. Die Preise sind unter Druck, die Auftraggeber, also die großen Telekommunikationsfirmen, sind selbst unter Druck. Auf der anderen Seite passen Nokia und Alcatel-Lucent gut zusammen. Es gibt nur geringe Überlappungen, es sollen nur wenige Jobs abgebaut werden. Nokia baut vor allem mobile Netze, Alcatel-Lucent Festnetze. Der eine ist in Europa und Asien stark, der andere in den USA.

Die Integration der Konkurrenten zu einem schlagkräftigen Unternehmen birgt allerdings Risiken. Das wissen beide nur zu gut, sind sie doch selbst mühsam aus Fusionen entstanden. Alcatel kaufte vor knapp zehn Jahren Lucent. Und Nokia legte sein Netzgeschäft kurz darauf mit dem von Siemens zusammen. Dieser Zusammenschluss war schmerzhaft und teuer, er hat zu lange gedauert. Vor zwei Jahren verabschiedeten sich die Münchner aus dem gemeinsamen Unternehmen. Jetzt geht es darum, die Probleme der neuen Fusion so gering wie möglich zu halten. Der Bedarf an Telekommunikationsnetzen ist zwar groß. Der Markt wächst schnell. Immer mehr Daten werden immer schneller um eine vernetzte Welt geschickt. Damit die Digitalisierung das hohe Tempo hält, müssen die Netze mit Milliardenaufwand aufgerüstet und ausgebaut werden. Aber das ist auch teuer: Es muss entwickelt und geforscht werden. Die hiesigen Telekommunikationsfirmen brauchen in Zeiten, in denen auch Kriminelle und Geheimdienste technisch aufrüsten, verlässliche Partner. Die Sicherheit sensibler Daten und die Zuverlässigkeit der Netze spielen in einer modernen Welt eine immer größere Rolle. Es ist wichtig, dass es neben den Anbietern aus China und den USA auch starke europäische Ausrüster gibt. Ein solcher könnte Nokia sein - wenn das Comeback wirklich gelingt.

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