Kommentar:Missglückter Versuch

Lesezeit: 3 min

Die Technikmesse Ifa war in der Corona-Krise eine der ersten großen Schauen, die tatsächlich stattfand - sowohl vor Ort, als auch im virtuellen Raum. Eine Herausforderung, an der die Macher jedoch gnadenlos gescheitert sind.

Von Helmut Martin-Jung

Hätten sie es doch gelassen. Hätten nicht versucht, mit dem griffigen Slogan "Tech is back" eine Normalität herbeizubeschwören, die es nicht mehr gibt. Aber die Veranstalter der Ifa mochten noch nicht loslassen vom Alten, vom Bewährten. Und natürlich auch Einträglichen. Große Teile der Branche nutzten die Ifa, um vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts die Bestellungen aufzugeben. Der Eindruck aber, den die auf wenigen Hallen zusammengeschnurrte Messe vermittelte, war desaströs - gerade so, als hätten sie beweisen wollen, wie falsch die Entscheidung war, diesen missglückten Kompromiss einzugehen.

Nun muss ein Kompromiss nicht immer schlecht sein, aber diese "Special Edition" der Ifa war letztendlich eine traurige Veranstaltung. Am meisten Leben herrschte noch im City Cube, jenem neueren Gebäude am Südende des Messegeländes, wo unter anderem einige Start-ups Gelegenheit erhielten, sich zu präsentieren. Ein richtiges Konzept dahinter war allerdings nicht zu erkennen, alles wirkte, wie auch die wenigen Aussteller in den anderen Hallen, zusammengewürfelt.

Es wäre zukunftsweisender gewesen, hätten die Organisatoren ihre Energie nicht darauf verwendet, einer vergangenen Normalität hinterher zu trauern, sondern wenn sie Neues gewagt hätten - nie war die Gelegenheit dazu günstiger als in diesem Ausnahmejahr 2020. Denkbar wäre gewesen, einen virtuellen Kongress mit spannenden Rednern aufzuziehen, der die großen Fragen der Zeit behandelt hätte - natürlich und gerne mit Bezug darauf, wie die Branche sich dazu verhält.

Die Barrieren in den Köpfen sind das größte Hindernis für einen Wandel

Und dazu eine Plattform, die in der Lage ist, die Massen anzusprechen. Die graublauen, leeren Hallengänge, durch die einen die Ifa virtuell schickt, sind ein Graus, überdies sind viele Plätze nicht verkauft. Warum muss man in einem virtuellen Raum, in dem man alle Freiheiten der Welt hat, die alten Messehallen nachbilden und das Navigieren zur Qual machen?

Immerhin gab es eine kleine Kongress-Ecke in der Start-up-Halle. Dort waren durchaus interessante Einsichten zu hören. Marc Schumacher etwa, Partner bei dem auf Markenkommunikation spezialisierten Unternehmen Liganova, wartete mit der steilen These auf, dass der Einzelhandel ganz verschwinden werde. Seine Meinung muss man nicht teilen, aber diskutieren lässt sich darüber sehr wohl. Aber bei etwa 25 Zuhörern an Ort und Stelle kann man nur hoffen, dass sich online ein paar mehr eingeschaltet hatten.

Denn ja, das gab es auch: Live-Übertragung im Internet und dazu den düster-graublauen "Extended Space". Dort fanden sich aber vor allem jene Firmen wieder, die auch eine reale Präsenz auf der Messe gebucht hatten. Stadtgespräch war die Ifa in diesem Jahr nicht, nur Plakate wiesen auf die Messe hin - doch das allgemeine Publikum durfte ja nicht hin. Wobei, zu sehen hätte es ohnehin kaum etwas gegeben.

Was aber sind die Lehren aus der missglückten Ifa? Eine Messe, die die Technik feiert, sollte die letzte sein, die sich durch Beharren auf dem Althergebrachten selbst überflüssig macht. Wie immer es auch weitergeht mit dem Coronavirus - die Pandemie hat so viele Veränderungen ausgelöst, die es einfach unmöglich machen, darauf zu warten, dass es wieder so wird wie davor. Längst wird an Konzepten für virtuelle Messen gearbeitet, bei denen man sich mit Virtual-Reality-Brillen umsehen kann - fast als wäre man da.

Klar ist das alles noch nicht zu hundert Prozent ausgereift, noch gibt es keine VR-Brillen bei Aldi. Aber auch mit den breit verfügbaren Instrumenten wie Videokonferenzen lässt sich viel bewegen, man wird eine solche Veranstaltung aber anders unters Volk bringen müssen, jedenfalls nicht mit einer Hallennachbildung. Wird das alles leicht werden? Nein, wird es nicht. Das Schwierigste aber wird dabei sein, die Barrieren in den Köpfen zu überwinden.

Wie so viele andere Branchen werden sich auch die Messeveranstalter Neues überlegen müssen, um zu überleben. Wie man es nicht macht, dafür gibt es auch mit der Cebit ein gutes Beispiel. Die scheiterte zwar am Konzept und am Timing mit ihrem Termin im März, letztendlich aber vor allem daran, dass es ihr nicht gelang, ihre alten Rezepte schnell genug an neue Zeiten anzupassen. Heute sind die Herausforderungen eher noch größer, und vor allem bleibt weniger Zeit zu reagieren.

© SZ vom 07.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: