Kommentar:Mieter versus Klimaschutz

Um das Klima besser zu schützen, müssen in Deutschland auch Wohnungen saniert werden. Aber die Regeln dafür sind weder fair noch effizient. Das zeigt der Fall Vonovia.

Von Benedikt Müller

Deutschlands größter Vermieter Vonovia vollzieht eine Kehrtwende, die erfreulich und zugleich bedauerlich ist. Der Konzern, bei dem eine Million Menschen zur Miete wohnen, will die Mieten nirgends mehr so stark erhöhen, dass sich ein Mieter seine Wohnung nicht mehr leisten kann. Das ist die gute Nachricht. Doch kündigt Vonovia im Gegenzug an, dass man künftig 40 Prozent weniger Geld ausgeben werde, um Mietshäuser in Deutschland energetisch zu sanieren. Das ist schlecht für den Klimaschutz. Damit zeigt das Beispiel das ganze Dilemma im Streit um Wohnungsmodernisierungen.

Deutschland will seine CO₂-Emissionen stark reduzieren, das ist gut so. Dafür müssen nicht nur Kohlekraftwerke vom Netz und weniger Verbrennungsmotoren auf die Straßen. Dafür müssen auch Hausbesitzer Fassaden dämmen, sparsame Heizungen und moderne Fenster einbauen. Damit Vermieter einen Anreiz dazu haben, dürfen sie einen Teil ihrer Modernisierungskosten auf die Miete umlegen. Diese grundsätzlich sinnvolle Regel hat in der Praxis zwei Schattenseiten.

Erstens gibt sie weder Menschen in den eigenen vier Wänden einen Anreiz zur Sanierung noch Vermietern in ländlichen Regionen, in denen Mieter nicht mehr zahlen können oder wollen - und auf andere Wohnungen ausweichen könnten. Ohne diese Eigenheime und Mietshäuser auf dem Land, wird die Energiewende im Gebäudesektor aber nicht gelingen können.

Zweitens kann in Städten, in denen viele Menschen wohnen wollen, allein die Ankündigung einer Modernisierung soziale Schäden anrichten: Viele Mieter mit niedrigen Einkommen können es sich nicht leisten, dass ihre Wohnung auf einen Schlag Hunderte Euro mehr kosten soll, müssen womöglich ihr angestammtes Viertel verlassen. Dieses sogenannte Rausmodernisieren ist trostlos und unsozial.

Deshalb ist es gut, dass die Modernisierungsumlage im nächsten Jahr von elf auf acht Prozent sinken wird. Auch darf die Miete nach Sanierungen künftig höchstens um drei Euro pro Quadratmeter steigen, bei günstigen Wohnungen um zwei Euro. Der Vonovia-Konzern geht nun noch ein wenig darüber hinaus. Doch wird er in der Folge Tausende Häuser nicht energetisch sanieren, nicht seniorenfreundlich oder barrierefrei umbauen, obwohl das gut wäre in Zeiten des Klimawandels und einer alternden Gesellschaft.

Der Fall zeigt, dass die Regeln zu Modernisierungen weder fair noch effizient sind. Bislang müssen zu sehr die Mieter dafür zahlen, dass Vermieter einen Anreiz zum Sanieren haben. Während es sich in der Stadt lohnen kann, ein und dieselbe Wohnung energetisch und paar Jahre später noch mal altenfreundlich umzubauen, werden auf dem Land zu wenige Häuser gedämmt und Heizungen getauscht. Die Politik kann helfen, das zu ändern.

Vermieter brauchen Anreize, ihre Häuser zu sanieren. Bislang geht dies zu sehr zulasten der Mieter

Eine radikale Lösung wäre, dass die Miete nach einer energetischen Sanierung künftig nur so stark steigen dürfte, wie der Mieter absehbar an Nebenkosten sparen würde, weil er fortan weniger heizen müsste. Dann wären energetische Umbauten nicht mehr schlecht für die Mieter. Im Gegenzug müsste der Staat mehr Geld ausgeben, damit Vermieter trotzdem noch einen Anreiz zum Umbauen hätten. Statt einer kaum überschaubaren Menge an nationalen und regionalen Fördermitteln bräuchte es dann eine klare Subvention für Eigentümer, die eine Immobilie energetisch auf den neuesten Stand bringen. Ein solcher Anreiz müsste auf dem Land genauso wirken wie in der Stadt, für Vermieter genauso wie für Selbstnutzer.

Die Idee hat freilich einen Haken: Eigentümer sanieren nicht nur energetisch, sie bauen etwa auch neue Balkone oder Aufzüge ein. Der Nutzen solcher Modernisierungen lässt sich nicht so gut beziffern. Worüber sich der eine Mieter freut, hält ein anderer womöglich für Schnickschnack.

Auch deshalb wäre es so wichtig, dass sich die Nachfrage nach Wohnraum künftig besser auf Stadt und Land verteilen würde. Wenn sich in gefragten Gegenden nicht immer Dutzende Menschen auf eine Wohnung bewerben würden, könnten es sich Vermieter dort gar nicht leisten, gegen den Willen ihrer Mieter zu sanieren.

Dass Vonovia nun für jeden Mieter eine Lösung finden will, damit niemand mehr verdrängt wird, mag aus Sicht einer Wohnungsgenossenschaft oder städtischen Firma nichts Besonderes sein. Für einen Dax-Konzern ist es sehr wohl ein löbliches Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: