Kommentar:Leere Versprechen

Die ganze Koalition spricht gerne von Elektromobilität, einige ihrer Vertreter glauben aber nicht dran. Stattdessen predigen sie "Technologieoffenheit". Was für ein Fehler.

Von Michael Bauchmüller

Ein leeres Rohr kann alles andere als bedeutungslos sein. Ein leeres Rohr kann eine Tür zur Zukunft öffnen. Es kann Entscheidungen erleichtern, die sonst so schnell nicht fallen würden. Zum Beispiel die Entscheidung für viele neue Ladesäulen für Elektroautos - ans Stromnetz angeschlossen über vorsorglich verlegte Leerrohre.

Die Koalition tut sich trotzdem schwer damit. Seit Monaten laborieren Union und SPD an einem Gesetzentwurf, der die Verlegung dieser so genannten Leerrohre bei Parkplätzen vorschreiben soll. Jedenfalls dann, wenn ein Parkplatz neu errichtet wird oder an einem Gebäude eine Grundsanierung ansteht. Durch diese Rohre könnten später die Kabel zu jenen Ladesäulen verlaufen, an denen Elektroautos laden: nachts in der heimischen Garage, tagsüber auf dem Firmenparkplatz. Viel Aufwand macht so ein Rohr beim Anlegen eines Parkplatzes nicht, ganz anders als die nachträgliche Verlegung von Kabeln. Was also macht die Entscheidung so schwer?

Die Wahrheit ist: Die Elektromobilität ist eine Technologie, von der die ganze Koalition gerne spricht, an die aber ein Teil der Koalition noch nicht glaubt oder glauben mag. Mancher bangt um die deutschen Hersteller mit ihrer Verbrenner-Modellpalette. Ihre Zukunft ist ungewisser denn je. Und was ist erst mit den zig Millionen Benzinern und Dieselautos im Land, wenn zunehmend Strom geladen wird und das Tankstellennetz ausdünnt?

Vor allem für manche Unionspolitiker ist "Technologieoffenheit" das Wort der Stunde. Elektromobilität, schön und gut - aber es gibt doch noch andere klimafreundliche Technologien, die sich ausprobieren ließen. Früher war das einmal der aus Pflanzen gewonnene Biosprit, dessen Herstellung dummerweise Regenwälder bedrohte und auch die Preise für Lebensmittel trieb. Diese Idee wurde verworfen. Inzwischen sind es sogenannte "E-Fuels", gewonnen aus erneuerbaren Energien.

Die Idee klingt gut: Überschüssiger Wind- und Sonnenstrom könnte per Elektrolyse Wasserstoff erzeugen. Der wiederum ließe sich - mit Hilfe von Kohlendioxid - synthetisieren. Kraftstoffe wären kein Fall mehr für Scheichs, sondern für Chemiker - und sie wären nicht mal mehr eine Last fürs Klima. Vor allem aber könnte alles bleiben, wie es ist: Deutsche Hersteller könnten weiter ihre Motoren verfeinern, die Tank-Infrastruktur könnte bleiben, wie sie ist, und Autofahrer müssten nicht fürchten, dass ihnen irgendwann der Sprit ausgeht. Wozu da noch Leerrohre?

Doch diese Art von Technologieoffenheit ist ein Illusionstheater, mehr nicht. Das beginnt mit der Effizienz dieser "E-Fuels". Anders als bei E-Autos, bei denen erneuerbarer Strom über eine Batterie direkt den Motor antreibt, braucht es bei synthetischen Kraftstoffen zwei Stufen der Umwandlung. Erst wird der Kraftstoff aus erneuerbarer Energie hergestellt, dann wird er im Motor verbrannt und so abermals in Energie gewandelt. Nur etwas mehr als zehn Prozent der eingesetzten Energie landen auf der Straße, beim E-Auto sind es 70 Prozent und mehr. Anders gesagt: Im E-Auto kommt man mit derselben Menge Strom sieben Mal so weit.

Billig wird die Variante auch nicht. Derzeit kostet ein Liter synthetischer Kraftstoff um die 4,50 Euro, noch ohne Steuern. Das lässt sich drücken, etwa durch Importe aus sonnenreichen Staaten Nordafrikas. Absehbar aber bleibt der neue Kraftstoff teurer als die fossile Alternative - zumal auch eine sinkende Nachfrage nach Öl dessen Preis weiter drücken dürfte. Vor allem aber ist der Wasserstoff, der zur Basis des grünen Kraftstoffs werden soll, mittlerweile die Wunderwaffe für alles Mögliche: Die Stahlindustrie soll damit klimaneutral werden, Flugzeuge, Schiffe und Lastwagen soll der grüne Stoff antreiben. Und dann auch noch Autos, obwohl hier eine günstigere, effizientere, serienreife Technologie zur Verfügung steht?

Soll sich eine Innovation durchsetzen, sollen also Investoren, Bauherren und Autokäufer ihr Geld in sie stecken, braucht es klare politische Bekenntnisse - und sei es durch eine vermeintlich nebensächliche Pflicht zu Leerrohren. Die Illusion von einer angeblich überlegenen Technologie dagegen, die nur noch ein paar Jahre bis zum Durchbruch brauche, wird den Wandel nur unnötig verzögern. Aber vielleicht ist das ja das Kalkül.

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