Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Lasst alle Apps hinein

Beim mobilen Bezahlen an der Ladenkasse hat der US-Technologiekonzern Apple bislang den Wettbewerb behindert. Damit macht der Bundestag Schluss - gut so.

Von Felicitas Wilke

Seit knapp einem Jahr können Apple-Kunden mit ihrem Smartphone an der Kasse bezahlen. Allerdings nur, wenn sie den konzerneigenen Bezahldienst Apple Pay nutzen. Von gesunder Konkurrenz auf dem eigenen System hält der US-Techkonzern bislang nämlich eher wenig: Er weigert sich, sein Betriebssystem für andere Bezahl-Apps freizugeben. Das könnte sich jetzt ändern, denn die Politik mischt sich ein. Und das ist gut so, denn Monopole bremsen Innovation.

Der Finanzausschuss im Bundestag hat diese Woche ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den Wettbewerb zwischen Bezahldiensten ankurbeln und den Alleinanspruch von Apple beenden soll. Künftig sollen Anbieter von Bezahl-Apps ihre technische Infrastruktur gegen "angemessenes Entgelt unverzüglich" zur Verfügung stellen müssen. So steht es im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen, dem jetzt der Bundestag zugestimmt hat.

Bislang stellt sich Apple genau in diesem Punkt quer. Als der US-Konzern seinen Bezahldienst im Dezember 2018 nach Deutschland brachte, hatten Banken und Finanz-Start-ups, aber auch Telekommunikationskonzerne und Händler schon längst eigene Bezahl-Apps auf den Markt gebracht. Doch immer dann, wenn sie auf der gängigen NFC-Technologie basierten, blieb es Apple-Nutzern vorenthalten, die Dienste zu nutzen. Der Tech-Konzern will an jeder Transaktion mitverdienen, die über seine Geräte abgewickelt wird, und weigert sich anders als Konkurrent Google deshalb bis heute, die NFC-Schnittstelle anderen Marktteilnehmern zu überlassen. Auch nicht gegen eine Gebühr.

Es schien auch gar nicht nötig. Der Konzern fand zum Start von Apple Pay mehrere Banken, die bereit waren, zu seinen Konditionen mitzumachen. Das Tech-Unternehmen stellte die App zur Verfügung, die Institute ermöglichten es ihren Kunden, ihre Karten zu hinterlegen. Die Macht der Marke Apple ist groß, ihre Fangemeinde laut: Wenn reihenweise Kunden in sozialen Netzwerken verkünden, die Bank wechseln zu wollen, sofern diese nicht bald Apple Pay anbietet, geraten die Institute unter Druck. Selbst die Sparkassen, die sich lange gegen die Monopolstellung wehrten und das Unternehmen öffentlich kritisieren, gaben schließlich klein bei. Es ist wohl nur noch eine Frage von wenigen Wochen, bis auch die Kunden von Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit Apple Pay bezahlen können.

Während die Banken im Umgang mit Apple Pay kniffen, zeigt sich die Politik jetzt offensiver - und könnte das mobile Bezahlen in Deutschland damit endlich attraktiver machen. Bislang kann man Apple Pay im Regelfall nämlich nur nutzen, wenn man eine Kreditkarte hinterlegt. Damit geht die App am Bezahlverhalten vieler Deutscher vorbei, die lieber die Girocard nutzen als die Kreditkarte.

Andere Anbieter, gerade die Sparkassen und Genossenschaftsbanken, sind näher dran am deutschen Markt und könnten mit eigenen Lösungen kontern. In ihren bislang nur auf Android laufenden Apps lässt sich die Girocard schon längst hinterlegen. Doch es müssen nicht immer die Banken sein, die Bezahldienste lancieren. Auch Händler könnten sich kluge Lösungen einfallen lassen, die im Idealfall zusätzliche Anreize fürs Bezahlen mit dem Handy liefern - einen Rabatt zum Beispiel oder die Möglichkeit, der Schlange an der Kasse zu entkommen, wenn man mobil bezahlt.

Neue Anbieter könnten mobiles Bezahlen endlich an den deutschen Markt anpassen

Derzeit ist jedes fünfte in Deutschland verkaufte Smartphone ein Apple-Gerät. Die Macht von Apple Pay liegt also in einem überschaubaren Teil des Markts. Apple-Fans argumentieren mitunter daher: Wer ein iPhone kauft, muss damit leben, dass er auf dem Gerät auch nur den konzerneigenen Bezahldienst nutzen darf. Doch das macht es Apple viel zu einfach und unterbindet die Weiterentwicklung des mobilem Bezahlens. Dass Apple keinen Gegenwind gewohnt ist, zeigt sich daran, dass Unternehmensvertreter und sogar die US-Botschaft sich im Kanzleramt über das geplante Gesetz beschwert haben sollen. Ein peinlicher Vorgang, den Apple nicht nötig haben sollte.

Denn verstecken muss sich Apple Pay auch in einem fairen Wettbewerb nicht. Der Konzern steht zu Recht für intuitiv zu bedienende Produkte und nimmt den Datenschutz ernster als andere Konzerne. Die Apple-Jünger dürften ihrer bisherigen Bezahl-App ohnehin treu bleiben. Die anderen haben künftig endlich die Wahl.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4681829
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.