Kommentar:Ein Ausweg für die Bauern

Der Streit über die wachsende Marktmacht der Discounter überschattet den Start der "Grünen Woche". Die Lage für die Bauern wirkt ausweglos - doch sie ist es nicht.

Von Michael Bauchmüller

Die Landwirte haben ihre Muskeln spielen lassen, doch erreicht haben sie nichts. Sie haben ihre Traktoren in Gang gesetzt, erst zu Molkereien und Schlachthöfen. Die schickten sie weiter zu den Discountern. Der Lidl wies auf den Aldi, und als die Landwirte kurz vor Weihnachten Warenlager blockierten, wurde ihnen sanft bedeutet, was solche Aktionen kosten könnten - an Schadenersatz. Die Bauern wollten Stärke demonstrieren. Am Ende dokumentierten sie ihre Machtlosigkeit.

Wenn diesen Mittwoch die "Grüne Woche" startet, die in Corona-Zeiten nur aus zwei grünen, virtuellen Tagen besteht, dann ist diese Machtlosigkeit, dieses Ungleichgewicht das bestimmende Thema. Die Lage der Bauern wirkt ausweglos. Aber sie wirkt auswegloser, als sie in Wahrheit ist.

Die Probleme an sich sind nicht neu. Gegenüber einer Handvoll Lebensmittelriesen und einer kleinen Schar von Weiterverarbeitern können die Landwirte nicht viel ausrichten. Der Handel steht in einem beinharten Wettbewerb und gibt das an Molkereien und Schlachthöfe weiter, die wiederum zahlen weniger an die Landwirte, und die wiederum... Genau: Hier endet die Kette.

An anderen Märkten würde das dazu führen, dass Firmen aussteigen, das Angebot knapper wird - und die Preise steigen können. Ökonomen nennen das bezeichnenderweise den "Schweinezyklus", abgeleitet von Bauernmärkten. Doch genau der funktioniert in der Landwirtschaft nur noch begrenzt. Wer viel Geld in Milchvieh und Melkroboter gesteckt hat, der erfindet seinen Betrieb nicht mal eben neu. Wenn aber Landwirte aufgeben, dann verknappt das auch nicht zwingend das Angebot: Häufig übernehmen andere Betriebe, die dann einfach nur größer werden, effizienter wirtschaften. Sie versuchen, in dem Massengeschäft namens Landwirtschaft irgendwie noch mitzuhalten; und das am besten auch noch exporttauglich. Die Konkurrenz aus dem Ausland drückt schließlich auch.

Die Produkte müssen sich aus der Masse hervortun - mit starken, regionalen Marken

Die Crux der Landwirte ist die scheinbare Uniformität ihrer Produkte. Milch ist Milch, Mehl ist Mehl, Fleisch ist Fleisch. Einzig der Ökolandbau hat es geschafft, diesem Fluch zu entgehen. Alle anderen liefern, bildlich gesprochen, in eine große Maschine, die wiederum die Frucht ihrer Arbeit verarbeitet, verpackt, etikettiert und in den Handel bringt. Woher die Rohprodukte letztlich kommen, ist dieser Maschine egal.

Genau hier könnten Landwirte ansetzen: Mit neuen, starken Marken, die nicht nur für Regionalität stehen, sondern auch für besonders hohe Standards - etwa in der Tierhaltung. Bewusster Konsum wird erst möglich, wenn Produkte aus der Masse hervortreten, wenn sie Besseres versprechen als der große Rest. Dafür gibt es Marken.

Das erfordert mehr regionale Kooperation, ein professionelles Marketing und für letzteres auch öffentliche Hilfen. Es würde verlangen, dass Molkereien und Schlachthöfe mitspielen: Sie müssten Kanäle für die regionalen Produkte aufbauen, und das jenseits der großen Maschine. Eigene Vertriebskanäle könnten entstehen, auch neben den großen Ketten. Was Discounter freilich nicht hindern muss, ihr Sortiment stärker regional auszurichten und auch entsprechend zu bewerben - bei Bio-Lebensmitteln geht das schließlich auch. Den Landwirten wäre damit sicher mehr geholfen als mit allen runden Tischen, Kodizes und wohlgemeinten Videobotschaften, mit denen man sie zuletzt abzuspeisen versuchte. Milch, Mehl und Fleisch erhielten Namen und Herkunft.

Die Zeit dafür drängt. Die Anonymisierung von Produkten hat die Entfremdung zwischen Landwirten und Verbrauchern vorangetrieben. Doch jeder Landwirt, der aufgibt, geht auch als Verankerung vor Ort verloren, als Botschafter der Marke regionale Erzeugung. Am Ende dieser Entwicklung gibt es unter den konventionellen Höfen nur noch eine überschaubare Zahl von Großbetrieben, die am internationalen Markt darum konkurrieren, wer die Paletten des Handels bestücken darf. Die Landwirtschaft, die so sehr auch zum Gepräge der Landschaft beiträgt, wäre tatsächlich nur noch Teil der großen Maschine.

Die Politik hat einiges in der Hand, um dies zu verhindern, gerade dieser Tage. Sie kann Europas Agrarsubventionen stärker denn je in Umweltleistungen lenken, die Gespräche darüber laufen gerade zwischen Bund und Ländern an. Damit wäre nicht nur Natur und Umwelt gedient. Landwirte, gerade kleinere Betriebe, könnten sich so neue Einkünfte erschließen.

Beides, mehr Regionalität und andere Einkommensquellen, macht die Bauern unabhängiger. Darin steckt mehr Macht als in allen ihren Traktoren zusammen.

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