Kommentar:Kampfansage an Banken

Der Streamingdienst Spotify wirbelt die Finanzwelt durcheinander mit seinem ungewöhnlichen Börsengang. Für die Banken kann das weitreichende Folgen haben.

Von Silvia Liebrich

Nun ist die Katze aus dem Sack - und vielen Bankern dürfte nicht gefallen, was sie da sehen. Entgegen allen Erwartungen hat sich der ungewöhnliche Börsengang des Streaminganbieters Spotify an der Wall Street als großer Erfolg erwiesen. Als der erste Kurs am Dienstagabend bei 165,90 Dollar feststand, waren mit einem Schlag die Warnungen vieler Bedenkenträger entkräftet. Lag dieser Wert doch um 25 Prozent über dem offiziellen Referenzkurs, den die New York Stock Exchange zuvor festgelegt hatte.

Was die Spotify-Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon als Triumph werten können, ist zugleich eine Kampfansage an die Bankenwelt. Denn die Schweden brachen mit einem Grundsatz, der bisher als unantastbar galt, und der da heißt, dass für einen gelungenen Börsengang unbedingt die Hilfe vieler Banken nötig ist. Und die lassen sich ihre Dienste teuer zahlen - eine Ausgabe, die sich die Spotify-Macher einfach gespart haben, indem sie eine Direktplatzierung wählten. Was sich banal anhört, ist jedoch alles andere als einfach, vor allem aber ist dieser Weg an den Aktienmarkt riskant.

Firmen können mit einer Direktplatzierung von Aktien viel Geld sparen

Eine Direktplatzierung bedeutet, dass im Vorfeld, während und nach der Aktienemission keine umfangreiche und konzertierte Kurspflege betrieben wird. Mit Goldman Sachs, Morgan Stanley sowie Allen & Co. wirkten nur drei Investmentbanken an der Emission mit, was deutlich weniger ist als gewöhnlich. Auch auf das übliche Klinkenputzen bei Banken, Fondsvertretungen und Finanzstiftungen haben die Spotify-Gründer weitgehend verzichtet.

Vor dem Handelsstart wurde außerdem keine Preisspanne festgelegt, an der sich Neuaktionäre hätten orientieren können. Das bedeutet ein größeres Risiko für Aktienverkäufer, aber auch für Käufer. Sie müssen bei dieser Art von Börsengang mit höheren Kursschwankungen rechnen, womöglich mit erheblichen Verlusten, weil Banken Kursstürze nicht auffangen. Das zeigte sich am Mittwoch, als die Notierung zeitweise um sieben Prozent absackte.

Für die Bankenwelt könnte der Fall Spotify, wenn er Schule macht, tief greifende Folgen haben. Als nächste Anwärter für eine Direktplatzierung gelten die Mitfahrdienste Uber und Lyft sowie der Zimmervermittler Airbnb, deren Anteile am Privatmarkt bereits teuer gehandelt werden. Sie dürften sich nach dem gelungenen Einstand von Spotify ermutigt sehen. Für die Finanzbranche sind das schlechte Aussichten, weil dadurch ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells bedroht ist. Vor allem für Investmentbanken ist die Betreuung von Börsengängen relativ leicht verdientes Geld und ein Milliardengeschäft obendrein. Sie werden alles daran setzen, ihre Schlüsselfunktion im Emissionsgeschäft nicht zu verlieren.

Spotify hat sich mit seiner direkten Aktienausgabe unter dem Strich Beratungshonorare von schätzungsweise 60 bis 70 Millionen Euro gespart. Gemessen an einem Börsenwert von gut 26 Milliarden Dollar sind das nur 0,3 Prozent. Doch das sind Einnahmen, die der Branche entgehen. Für sie lief es bereits in den vergangenen zwei Jahren nicht besonders gut. Zwar stieg weltweit die Zahl der Börsengänge weiter an, doch es waren wenige große Erstemissionen dabei, was die Gesamtbilanz beeinträchtigt. Der weltweit größte Börsengang des vergangenen Jahres war der des sozialen Netzwerks Snapchat mit 3,9 Milliarden Dollar. Für Anleger erwies sich dieser bisher jedoch als Enttäuschung. Zum Vergleich: Facebook brachte es 2012 auf einen Emissionswert von 16 Milliarden Dollar.

Sicher ist, dass die Entwicklung von Spotify in den nächsten Monaten nicht nur an der Wall Street, sondern an den Aktienmärkten weltweit genau beobachtet werden wird. Immerhin gilt dieser Börsengang als einer der größten in der Technologiebranche in den vergangenen Jahren. Innovative Firmen wie der schwedische Streamingdienst sind angetreten, um Märkte grundlegend zu verändern. Warum sollten sie also vor der Finanzwelt haltmachen?

Die Sorge der Banken, dass ihr Geschäft mit IPOs, so der Fachbegriff für Börsengänge, in Gefahr sein könnte, ist also durchaus begründet. Für sie könnte das Spotify-Experiment eine Zeitenwende bedeuten. Dass sie gut im Anzetteln von Revolutionen sind, haben die Spotify-Gründer schon unter Beweis gestellt, am Musikmarkt ist ihnen das längst gelungen. Die absolute Vormachtstellung der Labels ist gebrochen. Und die Art, wie Menschen Musik hören, hat sich grundlegend verändert. Nun ist das Unternehmen auf dem besten Weg, auch die Finanzwelt kräftig aufzumischen. Für so manche Bank könnte das ziemlich ungemütlich werden.

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