Süddeutsche Zeitung

AfD im Bundestag:Wenn Deutschland nach rechts rückt, wird es schmutzig

Die AfD schürt ein Klima des Misstrauens, das unserem Wirtschaftssystem widerspricht. Es basiert auf offenen Grenzen - und die gilt es nun zu wahren.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Gerade mal eine Woche steht fest, dass zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert Rechtsextreme in den Bundestag einziehen. Der Schock sitzt tief. Doch wie es bei Schocks so ist: Relativierungen sind schnell zur Hand. 87 Prozent der Deutschen haben nicht AfD gewählt, heißt es. Oder: Wie der Rückzug von Frauke Petry andeutet, wird sich die AfD spalten, wie andere Populistenparteien vor ihr. An all dem ist was dran. Eines jedoch übersehen die Relativierer: Welchen Einfluss die sogenannte Alternative für Deutschland als drittstärkste Kraft im Parlament ausüben könnte. Auch auf andere Parteien. Und das ist nicht allein eine gesellschaftlich-politische Gefahr, sondern auch eine ökonomische. Auf dem Spiel steht ein Wirtschaftssystem, das auf offenen Grenzen basiert - und ganz generell auf Offenheit.

Parteien konkurrieren miteinander, ähnlich wie es Firmen tun. In der vergangenen Dekade rückte Angela Merkel die Union nach links, mit Mindestlohn, Atomausstieg oder Frauenquote. Sie wollte vornehmlich der SPD Stimmen abnehmen. Konkurrenz rechts von der Union sah sie nicht. Was die SPD betrifft, ist Merkels Operation gelungen: Die Sozialdemokraten liegen am Boden. Nun ist die AfD stark. Der Wettbewerb beginnt von Neuem. Die CDU dürfte nach rechts rücken, die CSU tut es schon. Und mindestens die FDP wird die Rechtspopulisten taxieren.

Es wird sich zeigen, wie schmutzig es wird, wenn diese Parteien nach rechts rücken. Schüren auch sie Ressentiments gegen Migranten und andere gesellschaftliche Gruppen? Beginnen die Schwierigkeiten damit, dass sie die AfD-Position "Migranten sind Probleme" als Diskussionsgrundlage akzeptieren? Die politische Auseinandersetzung in Deutschland, so steht zu befürchten, nimmt rauere Züge an. Sie wird handgreiflicher.

Ein Klima des allgemeinen Misstrauens widerspricht unserem Wirtschaftssystem, wie es sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelte. Die deutschen Unternehmen versuchen Grenzen zu überwinden. Fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung resultiert heute aus dem Export. Zu dieser Strategie gehört eine Kultur des Vertrauens. Das Vertrauen, Geld in fremde Länder zu investieren, das sich erst Jahre später amortisiert. Die Bereitschaft, sich vorurteilslos auf Geschäftspartner und Mitarbeiter anderer Sprache, Religion, Hautfarbe einzulassen.

Dazu passt es nicht, Argwohn gegen gesellschaftliche Gruppen zu schüren, auch nicht gegen Migranten. Wer vor allem misstraut, bleibt im Land, statt die Chancen der globalisierten Wirtschaft wahrzunehmen. Manager und Verbandsgrößen, die sich parteipolitisch gerne zurückhalten, sollten jetzt Stellung gegen die Populisten beziehen - und gegen alle, die ihnen nacheifern.

Wie verheerend ein Klima des Misstrauens wirkt, lässt sich in den USA beobachten. Ein Präsident, der mal hier, mal da auskeilt. Der gleichermaßen politische Rivalen, Einwanderer, bestimmte Firmen oder andere Wirtschaftsnationen attackiert, wie es ihm gerade einfällt.

Diese Gefahr droht nun Deutschland: Ressentiments statt Rationalität. Wer sich erinnert, wie CSU-Politiker immer wieder Stimmung gegen Homosexuelle machten, weiß, wie wenig die Bundesrepublik davor gefeit ist.

Flüchtlinge müssen rasch in die Arbeitswelt integriert werden

Das wirft natürlich die Frage auf, wie die etablierten Parteien gegen die Wählerwanderung zu den Rechtspopulisten vorgehen sollen, ohne sich deren Positionen anzunähern. Da wäre zum einen eine transparentere Flüchtlingspolitik. Ein Bekenntnis zur Aufnahme aus humanitären Gründen verbunden mit mehr Tempo bei der Integration. Nach der Migrantenwelle 2015 waren die deutschen Behörden zu langsam, jetzt sind sie zu bürokratisch, um die Ankommenden schnell in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Zu einer solchen Politik gehört auch, konsequent Flüchtlinge zurückzuschicken, die nicht die Asylvoraussetzungen erfüllen. Und gleichzeitig durch ein Einwanderergesetz die Tür für Bewerber zu öffnen, die wegen ihrer Qualifikationen einfach in die Volkswirtschaft einfügbar sind.

Eine zweite Antwort auf die Populisten ist, sich mit den wirtschaftlichen Sorgen ihrer Wähler zu beschäftigen. Bei Arbeitern und Arbeitslosen sammelte die AfD besonders viele Stimmen. Die etablierten Parteien kümmern sich zu wenig um Verlierer der Globalisierung. Sie sollten lieber diese Haltung ändern, anstatt sich der Stimmungsmache der AfD anzunähern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3690661
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.10.2017/vit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.