Strafverfolgung:Beim Insiderhandel sind die Ermittler oft hilflos

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Prominente Fälle wie der Chef der Deutschen Börse zeigen, wie schwierig Insiderhandel zu verfolgen ist. An den Kapitalmärkten ist trotz neuer Gesetze immer noch zu viel Raum für Straftaten.

Kommentar von Jan Willmroth

Der Chef des zweitgrößten europäischen Börsenbetreibers soll sich des Insiderhandels strafbar gemacht haben. Die Ermittlungen laufen, die Staatsanwaltschaft sucht nach Beweisen. Zwar ist noch offen, wie die Sache ausgeht, aber selbst davon abgesehen ist der Vorwurf ungeheuerlich. Carsten Kengeter ist nicht einfach nur Vorstandschef eines Dax-Konzerns, er leitet die Deutsche Börse Group und damit eine Firma, die unverfälschte und sichere Märkte garantiert. Er muss die Regeln kennen. Er muss noch vorsichtiger sein als anderen Chefs und zu jeder Zeit uneingeschränkt glaubwürdig. Seine Vorgänger haben es aus gutem Grund stets abgelehnt, selbst Aktionäre der Deutschen Börse zu sein.

Ein Börsenchef, der mit eigenem Geld Aktien kauft, obwohl er schon eine Fusion mit dem Konkurrenten aus London plant? Falls sich herausstellt, dass man bei der Börse nicht wenigstens kurz an die Staatsanwaltschaft dachte, als man ihm den Kauf von Aktien seines Arbeitgebers nahelegte: Es wäre mindestens sehr peinlich für jemanden, der gerade einen pan-europäischen Börsenkonzern schmieden will. Und zwar unabhängig davon, ob es überhaupt zu einem Strafverfahren kommt.

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Das nämlich ist nicht sicher. Es hängt davon ab, ob die Staatsanwaltschaft ausreichend belegen kann, dass der Manager die Fusion schon voraussehen konnte, als er sein Aktienpaket kaufte. Der Fall Kengeter ist also speziell, aber das sind Fälle von Insiderhandel und Marktmanipulation meistens. Die aktuellen Ermittlungen beleuchten ein Feld, auf dem sich die Strafverfolgung schwertut. Es werden erstens überhaupt zu wenige Fälle bekannt. Zweitens kommt es nur selten zu einer Anklage, und drittens in noch viel weniger Fällen zu Verurteilungen. Die jüngsten Änderungen am Wertpapierhandelsgesetz gehen zwar in die richtige Richtung. Sie reichen aber wahrscheinlich nicht aus.

Denn nach wie vor sind die Aufsichtsbehörden und Ermittler darauf angewiesen, Auffälligkeiten überhaupt zu entdecken. Das war im Fall Kengeter nicht schwer, schließlich muss ein Vorstand seine Aktiendeals offenlegen. In anderen, weniger prominenten Fällen, können sich Straftäter noch immer leicht verstecken. Sie reichen Insiderinformationen weiter an Familie oder Freunde, verschleiern Geschäfte hinter einem Geflecht an Briefkastenfirmen im Ausland - und handeln in Stückelungen, die der Finanzaufsicht Bafin nicht weiter auffallen. Experten für Kapitalmarktrecht vermuten eine hohe Dunkelziffer. Die großen, wirklich skandalösen Fälle werden häufig durch Zufälle bekannt. Dagegen würden lediglich noch schärfere Transparenzpflichten helfen.

Kaum ein Ermittlungsverfahren führt zu einer Verurteilung

Besteht ein Anfangsverdacht, bleibt von diesem oft nicht viel übrig. Im vergangenen Jahr hat die Bafin etwas mehr als 700 Analysen wegen des Verdachts der Marktmanipulation oder des Insiderhandels eingeleitet, davon schafften es 314 Fälle in die zweite Stufe und wurden genauer untersucht. Am Ende erstattete die Behörde nur 21 Anzeigen wegen Insiderhandels. Im gesamten Jahr gab es nur zwei Verurteilungen, in den Vorjahren waren stets ähnlich wenige. Viele Verfahren werden eingestellt, weil die Beschuldigten keine rechtskräftige Strafe riskieren wollen. Oft geht es um Manager, die um ihre Zulassung fürchten. Dabei könnten viele Angeklagte sogar auf einen Freispruch im Hauptverfahren hoffen. Denn nachzuweisen, dass jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Insiderinformation hatte, ist äußerst schwierig. Sie ist definiert als konkrete Information über gegenwärtige oder zukünftige, hinreichend wahrscheinliche Umstände, die nicht öffentlich bekannt sind - und die Börsen- oder Marktpreise der Insiderpapiere erheblich beeinflussen, wenn die Marktteilnehmer sie erfahren. Das ist schwammig und damit in jedem Fall neu Auslegungssache. Zu viele Verfahren scheitern an dieser Definitionsfrage.

Zwar wurden zuletzt einige wichtige Dinge geändert, um mehr Gesetzesverstöße aufzudecken. Die Ad-Hoc-Pflicht wurde verschärft; Unternehmen müssen alles, was erheblich den Aktienkurs beeinflusst, sofort veröffentlichen. Die Bafin macht zudem seit vergangenem Jahr erste Erfahrungen mit einem Online-System für anonyme Whistleblower.

Dennoch wird Insiderhandel eine schwer zu ahndende Straftat bleiben, zumal heute der blitzschnelle Computerhandel die Märkte dominiert. Selbst die US-Börsenaufsicht deckt relativ zur Marktgröße nicht mehr Vergehen auf, obwohl sie viel härtere Durchgriffsrechte hat. Prominente Fälle wie der von Carsten Kengeter erinnern bloß daran, wie viel Raum die Kapitalmärkte noch immer für unsichtbare Straftaten lassen.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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