Kommentar:Im Dienste der KP

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Der Netzwerkausrüster Huawei ist nicht irgendein Unternehmen. Es ist ein Unternehmen unter der Kontrolle des chinesischen Staates. Mischt er beim neuen Mobilfunknetzwerk 5G mit, ist das ein großes Sicherheitsrisiko.

Von Christoph Giesen

Huawei oder nicht? Das ist die Frage. Soll der chinesische Netzwerkausrüster beim Aufbau des neuen Mobilfunknetzwerks 5G mitmischen dürfen oder außen vor bleiben? Seit Tagen wird deshalb über Sicherheitsstandards, Anforderungskataloge und Zertifizierungsverfahren diskutiert. Im Fokus: Eine Behörde mit Sitz in Bonn, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), eine Truppe, die bisher Babyphones freigegeben hat. Der Chef fordert einhundert neue Stellen und verspricht, dass sein Amt dann in der Lage sein werde, die Technik aus China zu prüfen. Hunderttausende Ingenieure, zum Teil die besten ihres Fachs, gegen die verbeamteten BSI-Hacker. Ein fast irrwitziger Gedanke, dass wirklich alle Schwachstellen aufgespürt werden könnten.

Dennoch: Die entscheidende Frage ist eine andere, aufgeworfen hat sie vergangene Woche der Präsident des Bundesnachrichtendienstes. In einer Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, sagte er, seine Behörde sei "zu dem Schluss gekommen, dass die Infrastruktur kein tauglicher Gegenstand ist für einen Konzern, dem man nicht voll vertrauen kann." Dieses Vertrauen könne man einem Unternehmen, das in sehr großer Abhängigkeit von der Kommunistischen Partei stehe, nicht entgegenbringen. Recht hat er.

Huawei ist eine Geheimgesellschaft, die Eigentümerstruktur ist mehr als rätselhaft. Vorstand und Aufsichtsrat haben munter ihre Posten getauscht. Das Zahlenwerk lässt sich kaum nachvollziehen. Alarmierender ist nur noch der potenzielle Einfluss der chinesischen Regierung.

In den vergangenen Jahren sind in der Volksrepublik eine ganze Reihe von Gesetzen verabschiedet worden, die Anlass zur Sorge geben. Das neue Sicherheitsgesetz zum Beispiel, 2015 in Kraft getreten, das Cybersicherheitsgesetz von 2017 und das Nachrichtendienstgesetz, ebenfalls erst zwei Jahre alt. Wer diese Paragrafen liest, dem wird ganz anders. Der Staat kann überall eingreifen, jeder Zeit Informationen abschöpfen. Huawei argumentiert, dass das chinesische Recht außerhalb der Landesgrenze keine Anwendung finde und somit der Konzern nicht vom Staat gezwungen werden könne, Daten etwa aus Europa abfließen zu lassen. Ernsthaft?

Die Führung in Peking hat mehrfach gezeigt, dass sie nicht viel auf Rechtsstaatlichkeit gibt und sich den Weg notfalls freipresst. Seit beinahe elf Monaten sitzen zwei kanadische Staatsbürger - ein Ex-Diplomat und ein Geschäftsmann - in chinesischen Untersuchungsgefängnissen, der absurde Vorwurf: Spionage. Inhaftiert wurden sie just zehn Tage, nachdem Meng Wanzhou, die Finanzchefin und Tochter des Huawei-Gründers, am Flughafen von Vancouver in Gewahrsam genommen wurde, wegen eines amerikanischen Auslieferungsersuchens. Sie soll dabei geholfen haben, Iran-Sanktionen zu umgehen. Die Aktenlage in ihrem Fall ist recht plausibel.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, anzunehmen, dass es sich um eine Vergeltungsmaßnahme handelt, um Geiselhaft. Während Meng auf Kaution freigelassen wurde, in ihrem Haus in Vancouver lebt und sich womöglich durch alle Instanzen klagen wird, sind die Kanadier isoliert in Einzelzellen, das Licht brennt 24 Stunden lang. Einer der beiden Männer ist erst vor wenigen Monaten Vater geworden - sein Kind hat er noch nicht gesehen.

Auch mit der amerikanischen Basketballliga NBA hat sich die Regierung jüngst angelegt. Ein einziger Tweet eines Klub-Geschäftsführers zu den Demonstrationen in Hongkong hat den Kadern nicht gefallen. Die Konsequenz: Der totale Boykott - keine Übertragung der Spiele mehr für Millionen Fans in China. Was also, wenn Deutschland einmal den Zorn auf sich zieht? Und Peking dann als Druckmittel das 5G-Netz von Huawei nutzt?

Der neue Mobilfunkstandard ist nicht bloß eine Brückentechnologie, eine etwas schnellere Verbindung, auf die in wenigen Jahren die nächste folgt. 5G bildet die Infrastruktur für viele Anwendungen, die es noch gar nicht gibt: das autonome Fahren etwa oder die Industrie 4.0, bei der Maschinen direkt miteinander kommunizieren. Wer 5G sabotiert, schaltet nicht einfach das Handynetz aus, sondern legt womöglich den Verkehr in Städten lahm, beeinträchtigt die Produktion, Geräte in Krankenhäusern könnten ausfallen. 5G ist die Nervenbahn einer vernetzten Gesellschaft, in der im schlimmsten Fall ein Befehl aus Peking genügen könnte, um in Deutschland keine neuen Huawei-Updates mehr aufzuspielen. Das digitale Nervensystem würde dann in Zeitlupe heruntergefahren - trotz des BSI-Siegels.

© SZ vom 04.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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