Kommentar:Hybris eines Managers

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Schon wieder verliert Bayer ein Glyphosat-Verfahren in den USA. Vorstandschef Werner Baumann, blind für Risiken, hat sich auf Rechnung anderer verzockt.

Von Elisabeth Dostert

Investoren sind gnadenlos. Panisch verkauften Aktionäre am Mittwoch die Aktie des Agro- und Pharmakonzerns Bayer, als sich die Nachricht über die jüngste Entscheidung im Fall der Tochter Monsanto verbreitete. Geschworene eines Gerichts in Kalifornien entschieden in der Nacht zu Mittwoch in der ersten Phase eines Prozesses, dass der Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat "erheblich" zur Krebserkrankung von Ed Hardeman beigetragen hat. Das Verfahren ist damit nicht zu Ende. Aber das Zwischenergebnis ist ein Schlag für Bayer. Damit hatte der Konzern nicht gerechnet.

In der ersten Phase ging es um die Kausalität: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und der Krebserkrankung? In der zweiten Prozessphase, die nun verhandelt wird, soll geklärt werden, ob Monsanto über Risiken hinwegtäuschte. Erst wenn die Jury zu dieser Einschätzung kommt, geht es darum, wie viel Schadenersatz Monsanto zahlen muss.

Schon im August hatte ein Gericht dem Hausmeister Dewayne Johnson zunächst 289 Millionen Dollar zugesprochen, später war die Summe aus formalen Gründen auf 78 Millionen Dollar gekürzt worden. Das erste Urteil tat Bayer noch als Einzelfall ab; als einen Fall in erster Instanz. Der Prozess war wegen der Schwere der Erkrankung von Johnson vorgezogen worden. Die jüngste Entscheidung wiegt schwerer, weil es sich um eines von drei geplanten "Bellwether-Verfahren" handelt, eine Art Musterverfahren, sie weisen die Richtung für künftige Entscheidungen.

Mehr als 11 200 Klagen sind in den USA bereits gegen Monsanto eingereicht worden. Der jüngste Prozessverlauf dürfte die Klagewelle noch anschwellen lassen.

Die Übernahme von Monsanto war ein schwerer Fehler. Werte in Milliardenhöhe wurden zerstört

Die Übernahme von Monsanto kann für Bayer sehr teuer werden, deshalb trennen sich Aktionäre massenhaft von ihren Papieren. Am Mittwoch stürzte die Aktie um mehr als zwölf Prozent ab. An der Börse ist der Konzern noch knapp 57 Milliarden Euro wert, mehr als ein Viertel weniger als im September 2016, als Bayer offiziell die Offerte für Monsanto einreichte. 63 Milliarden Dollar zahlte Bayer. Stand heute, schafft die Übernahme keinen Deut Mehrwert, von dem Manager so gerne schwadronieren, wenn sie solche Übernahmen angehen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Flurschaden könnte nicht größer sein. Das schlechte Image von Monsanto klebt nun an Bayer, lästig wie frisch ausgespuckter Kaugummi. Man kann versuchen, ihn zu entfernen, daran ziehen bis sich lange Fäden bilden, aber der Dreck bleibt, er klebt irgendwann nicht mehr nur an der Schuhsohle, sondern auch an den Händen. Bayer-Vorstandschef Werner Baumann hat massiv Werte zerstört. Er riskiert den Konzern. Der Kursverfall macht ihn angreifbar. Aggressive Investoren wie der US-Milliardär Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott sollen sich eingekauft haben. Sie werden Baumann vor sich hertreiben. Die Strategie der Aggressoren ist häufig schlicht und knallhart. Sie sparen und zerlegen am Ende den Konzern, um seine Einzelteile teurer an den Höchstbietenden zu verkaufen.

Baumann verdrängte und blendete die Risiken, die in Monsanto stecken, aus. Der US-Konzern steht seit Jahren in der Kritik - für Glyphosat, für gentechnisch verändertes Saatgut, für mieses Geschäftsgebaren und für eine industrielle Landwirtschaft mit maximalen Erträgen, die eine wachsende Zahl von Menschen ablehnt. Es geht in diesen Verfahren um mehr als ein Herbizid, es geht um die Art und Weise, wie Lebensmittel erzeugt werden sollen und um die Macht von Konzernen. Baumann konnte und musste wissen, worauf er sich einließ. Er ging das Risiko wissentlich ein. Das ist Hybris. Und er glaubt immer noch, alle Risiken meistern zu können. Auch vor dem jüngsten Verfahren gab sich der Konzern überheblich siegessicher. Er hat sich getäuscht und ist nun "enttäuscht". Aber Zweifel? Nein, nie.

Baumann ist siegessicher. Er ist ein Mann, der an Fakten und Zahlen glaubt und an all die "wissenschaftlichen Erkenntnisse", die ihm zufolge bestätigen, dass glyphosatbasierte Herbizide keinen Krebs verursachen. Baumann kann nicht anders. Alles andere wäre ein Eingeständnis, dass er sich geirrt hat, dass der Kauf ein Fehler war. Die Übernahme von Monsanto soll sein Meisterstück werden, die Krönung einer Karriere, der Gipfel eines mühsamen Aufstiegs im Konzern über Jahrzehnte. Wenn das Meisterstück scheitert, muss der Geselle gehen. Baumann hat in den vergangenen Jahren Millionen verdient. Ein Rausschmiss verletzt vielleicht seine Eitelkeit. Im Drang nach Größe, nach der Marktführung, hat der Manager auf fremde Rechnung gezockt, vor allem zu Lasten der Mitarbeiter.

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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