Süddeutsche Zeitung

Populismus:Die Wirtschaft muss dem Populismus den Kampf ansagen

Eine Kultur des Hasses kann auch Unternehmen gefährlich werden. Trotzdem halten sich Manager politisch oft zurück. Nun ist der Moment gekommen, das zu ändern.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Von politischen Entwicklungen halten sich Unternehmer und Manager meist fern. Sie lobbyieren zwar ständig für weniger Steuern oder weniger Regeln. Doch was die großen Linien abseits des engen Eigeninteresses angeht, schweigen viele Wirtschaftsvertreter. Die freundliche Auslegung wäre, sie sind zu bescheiden, ihre Meinung zu äußern. Die unfreundliche wäre, sie wollen es sich um keinen Preis mit einer politischen Kraft verderben, egal mit welcher.

Nun steht zu erwarten, dass 2017 noch mehr von 2016 bringt. Populisten trommeln gegen fremde Menschen und fremde Produkte, die sichtbarsten Kennzeichen der Globalisierung. Die Briten sagen sich von der EU los, weil sie weniger EU-Einwanderer wollen. Die Amerikaner wählen einen Kandidaten, der Millionen Migranten zu deportieren verspricht. 2017 möchte eine Rechtsextreme französische Präsidentin werden. 2017 möchte sich die AfD in den Bundestag hetzen. Schweigen Unternehmer und Manager angesichts solcher Aussichten, begehen sie einen Fehler.

Der Ökonom Dennis Snower hat nachgedacht, was das Anfachen von Ressentiments ökonomisch bedeutet. In Amerika, analysiert der Amerikaner, vereist die Stimmung seit der Amtszeit von George W. Bush und dem Aufstieg der Tea Party. Donald Trump verabschiedet die Toleranz endgültig, indem er politische Rivalen, chinesische Firmen und Mexikaner verleumdet. Was das in einer Nation auslöst, die fast komplett aus irgendwann Eingewanderten besteht, lässt sich noch gar nicht abschätzen.

Eine Präsidentin Marine Le Pen könnte die EU sprengen

Die Kultur des Hasses hat eine ganz grundsätzliche Wirkung. Das Schüren von Misstrauen kollidiert mit einem Wirtschaftssystem, das auf Vertrauen basiert. Wer mit jemandem ein Geschäft eingeht, weiß oft monatelang nicht, ob der andere ihm etwa einwandfreie Ware liefert. Noch mehr Vertrauen bedarf es in der Globalisierung, in der Geschäfte in ferne Kulturen reichen. Sicherlich verheißt das Recht Entschädigung, wenn Zutrauen missbraucht wird. Aber Recht ersetzt Vertrauen nicht. Wer stets denkt, andere wollten ihm Böses statt Gutes, macht weniger Geschäfte. Die Wirtschaft schrumpft. Wenn dauernd Misstrauen gegen Migranten oder ausländische Firmen angefacht wird, prägt das eine Gesellschaft. Es verfinstert das Denken. Es vergiftet den Brunnen, aus dem alle trinken. Eine Kultur des Hasses bremst die Globalisierung, wie es sich bereits in der Zunahme des Protektionismus niederschlägt.

Deshalb ist für Unternehmer der Moment gekommen, eine Grundsatzentscheidung zu fällen und ihre politische Blässe abzulegen. Ihre Stimme mal nicht für Steuersenkungen und Bürokratieabbau zu erheben, sondern für Vertrauen und Toleranz. Nach dem Flüchtlingszustrom 2015 engagierten sich manche Verbände und Unternehmen für die Integration. Nach diesem Vorbild könnte sich die Wirtschaft nun für eine offene Gesellschaft starkmachen. So wie der bisherige Industriepräsident Ulrich Grillo das Schweigemuster nach Donald Trumps Wahlsieg durchbrach und vor Populismus warnte, "der Ängste von Menschen verstärkt".

2017 ist ein Jahr, in dem es gilt. Die AfD liegt in Prognosen vor Grünen, Linken und FDP. Eine Präsidentin Marine Le Pen könnte die EU sprengen, der die Unternehmen einen großen Teil ihrer Prosperität verdanken.

Unternehmen können die Gründe für Unzufriedenheit verringern

Natürlich ist die Wirtschaft nicht allein gefordert, den Populisten zu begegnen. Die etablierten Parteien müssen ganz anders agieren. Sie dürfen nicht weiter die Unzufriedenen ignorieren, deren Einkommen stagnieren, während gleichzeitig ihre Jobs unsicherer wurden - weshalb sie empfänglich sind, wenn ihnen Migranten als Sündenböcke souffliert werden. Gleichzeitig sollten sich die etablierten Parteien um die angefeindeten Migranten kümmern, in mehrfachem Sinne. Indem sie alles für deren Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt tun. Und indem sie, was kein Widerspruch ist, konsequent gegen die Missbraucher der Gastfreundschaft vorgehen, zum Beispiel durch eine professionelle Bekämpfung des Terrors.

Die Wirtschaft kann den Anti-Populismus-Kurs der etablierten Parteien unterstützen. Etwa durch den Einsatz ihrer beträchtlichen Mittel für eine öffentliche Kampagne. Und sie kann noch etwas tun: Die ökonomischen Gründe der Unzufriedenheit verringern, die Populisten für Fremdenhass und Globalisierungsphobie ausbeuten. Dazu müssten Unternehmen mit der Steuervermeidung aufhören und ihren Anteil leisten, dass der Staat stagnierenden Arbeitnehmern Bildung finanzieren und ihre geringen Einkommen aufbessern kann. Und sie müssten auskömmliche Löhne zahlen, wie sie Tarifverträge bieten - aus denen viele Firmen in den vergangenen 20 Jahren ausscherten. 2017 ist ein Jahr der politischen Entscheidungen. Sie können gut ausfallen. Oder sehr schlecht.

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SZ vom 02.01.2017/jps/vit
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