In Wolfsburg ist eine Welt zusammengebrochen: Die Welt des Patriarchen Ferdinand Piëch, der seine Macht bei VW nach Jahren überschätzt hat und den Posten des Aufsichtsratschefs als Geschlagener aufgeben musste. Aber es ist viel mehr geschehen. Mit Piëch ist beim größten Autohersteller Europas auch ein gesellschaftliches Experiment gescheitert.
VW ist ein Familienunternehmen, das mehrheitlich der Sippe des Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche gehört. Aber auch die IG Metall hat dominierenden Einfluss, und wegen der 20 Prozent Beteiligung von Niedersachsen ist der Konzern teilweise im öffentlichem Besitz. Daher ist VW für viele ein Hoffnungsträger, der starke Mitbestimmung praktiziert und das Profitdenken normaler Unternehmen nicht kennt. Diese schöne Vorstellung ist überholt.
Es fehlt eine echte Kontrolle des Managements
Bei VW ergänzen sich die Nachteile von Familienunternehmen, Gewerkschaftsbetrieben und Staatsfirmen besonders unvorteilhaft. In Wolfsburg stimmt die Machtbalance nicht, die Regeln guter Unternehmensführung sind grob verletzt. Bei VW gibt es keine echte Kontrolle des Managements, weil das Kontrollorgan selbst an der Geschäftsführung beteiligt ist. Aufsichtsratschef Piëch und die Arbeitnehmervertreter funkten regelmäßig ins Geschäft hinein, und die meisten Mitglieder des Gremiums sind keine unabhängigen Sachverständigen, sondern Vasallen, die im Wesentlichen die Interessen von Familie, Gewerkschaften oder Landespolitik im Auge haben. So kommen die übergeordneten Interessen des Unternehmens schnell zu kurz.
VW ist nur führbar, wenn sich die drei Machtblöcke gegenseitig Vorteile zuschanzen. VW wurde deshalb zum Schauplatz von Hinterzimmer-Deals und Machtkämpfen, wie ihn Piëch jetzt verloren hat. Deren Ergebnisse dienen nicht immer der Firma. Wegen der starken Stellung von IG Metall und Niedersachsen kommen in dem Machtspiel die Interessen der deutschen Arbeitnehmer und Werke meist besser weg als die der ausländischen. Eine schwere Hypothek für einen weltweit agierenden Konzern.
Es gibt auch gut geführte Konzerne mit starken Familien
Die Dominanz von Gewerkschaft und Politik hat zur Folge, dass VW weniger profitabel ist und mehr Beschäftige hat als vergleichbare Weltkonzerne. So gerät der Konzern alle paar Jahre an den Rand einer Krise, weil - wie jetzt wieder - die Kosten davonlaufen und die Konkurrenten wettbewerbsfähiger sind.
Es geht auch anders. Es gibt gut geführte Aktiengesellschaften mit starken Familiengesellschaftern, zum Beispiel den BMW-Konzern. Auch bei den Münchnern gibt es eine starke Arbeitnehmerschaft im Aufsichtsrat, aber Kontrolle und Management sind sauber getrennt, der Konzern ist erfolgreich, hat eine langfristige Strategie und gehört zu den Spitzenreitern der Autoindustrie beim Gewinn.
VW wird nur eine Zukunft haben, wenn sich auch dieser Konzern auf die Grundprinzipien ordentlicher Corporate Governance besinnt und der Aufsichtsrat in Zukunft ein echtes Kontrollorgan wird, dessen Mitglieder nicht die verlängerten Arme der Eigentümer sind, sondern eigenständig handelnde Sachwalter, die in erster Linie die Interessen des Unternehmens wahren, genau wie das Gesetz es vorschreibt. Dazu müssen aber die Eigner-Familien, IG Metall und das Land Niedersachsen von alten Gewohnheiten und Pfründen abrücken.
Den Besitzstandswahrern bei VW sollte zu denken geben, dass sich die freien Aktionäre von VW nach moderner Führung sehnen. Der VW-Aktienkurs ging nach oben, nachdem Gottvater Piëch seinen Rücktritt angekündigt hatte. Nur ein gut geführtes Unternehmen kann Erfolg haben und allen dienen: Eignern, Belegschaft und Volkswirtschaft.