Gleichberechtigung:Geschafft! Geschafft?

Schattenriss einer Frau im Büro

Gerade mal neun Prozent der Vorstände von Deutschlands großen Unternehmen sind Frauen.

(Foto: Tobias Kleinschmidt/dpa)

Es gibt nach wie vor zu wenige Frauen in Schlüsselpositionen. Das ist fatal, denn Führung muss endlich diverser werden, damit mehr an Kundinnen, Nutzerinnen, Konsumen­tinnen gedacht wird. Was sich ändern muss.

Kommentar von Hannah Wilhelm

Alles ist gut. Möchte man meinen. Endlich steht mit Jennifer Morgan bei SAP eine Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens. Langsam aber stetig steigt die Anzahl der Frauen in Aufsichtsräten - dank einer verpflichtenden Quote. Endlich hat auch der Online-Versandhändler Zalando nach massiver Kritik eingesehen, dass das Ziel null Frauen im Vorstand gesellschaftlich nicht mehr ganz so schick ist. Endlich.

Doch in Wirklichkeit nähert sich die Diskussion um die Gleichberechtigung einem sehr gefährlichen Moment. Dem Moment, in dem in vielen Vorständen und in höheren Managementpositionen eine einzige einsame Frau sitzt. Eine als Beispiel dafür, dass man das ja sehr ernst nimmt mit der Frauenförderung. Eine, die es geschafft hat, auch ohne Quote. Wie um zu beweisen, dass die anderen Frauen eben doch nicht so gut sind. Mit gleichen Chancen hat das wenig zu tun.

Die Frauen, die es nach ganz oben geschafft haben, sind oft einsam, die einzige. Beiersdorf-Aufsichtsrätin Manuela Rousseau hat recht, wenn sie beim Adlon-Kongress sagt: Wären die Frauen im Vorstand zu dritt, wären sie schon eine Gemeinschaft und damit stärker. Außerdem stehen sie oft unter einem ganz anderen Druck als Männer. Chefs befördern oft diejenigen, die ihnen ähnlich sind und von denen sie erwarten, dass sie es genauso weitermachen, wie sie selbst. Nun, da sie mal eine Frau befördert haben, stellen sie mit Entsetzen fest, dass sie etwas anders machen. Keine Mini-Mes sind. Ja, darum geht es eben bei Diversität. Dass jemand es anders macht, einen anderen Blick hat und anders führt. Doch das auszuhalten, schafft nicht jeder Mann. Mit dem Ergebnis, dass einige Führungsfrauen auch schnell wieder weg sind.

Ein weiteres Problem: Da lange Zeit Frauen nicht gefördert wurden, fehlen sie den Unternehmen nun im Mittelbau. So kauft man die eine einzige, die es jetzt richten soll, von außen ein. Mit dem Resultat, dass sie keine Lobby im Unternehmen hat - und scheitert. Nein, es gibt mitnichten etwas zu feiern in Deutschland.

Es ist ja auch nicht so, dass Frauen um der Frauen willen gefördert werden müssen. Sondern um Führung diverser und besser zu machen. Damit neue Ideen aufkommen, andere Perspektiven mitgedacht werden. Dass mehr auch an Kundinnen, Nutzerinnen, Konsumentinnen gedacht wird und zwar nicht nur aus der sehr theoretischen Perspektive von älteren Männern. Gerade angesichts der zunehmenden internationalen Konkurrenz, der sich abschwächenden Konjunktur und dem absehbaren Fachkräftemangel in Deutschland sollte mehr gemischt geführt werden. Und doch tun sich gerade deutsche Unternehmen so schwer mit dieser Idee. Gerade mal neun Prozent der Vorstände von Deutschlands großen Unternehmen sind Frauen.

Nein, es ist nicht der Moment, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und sich aufmunternd zuzurufen: Mensch, ist es toll, dass es Frauen gibt wie Jennifer Morgan oder wie Ann-Kristin Achleitner, Aufsichtsrätin in mehreren Konzernen. Ja, natürlich ist es toll. Aber es reicht doch nicht aus. Wir schreiben das Jahr 2019. Eine verpflichtende Quote für Vorstände wäre gerade jetzt wichtig. Sowie eine Quote für Aufsichtsräte, die mehr als nur die großen Unternehmen betrifft. Und härtere Sanktionen für Unternehmen, die sich nicht daran halten. Eine viel größere Anzahl von weiblichen Führungsvorbildern - das würde wirklich helfen.

Gemeinsam stark zu sein, das muss das Ziel sein, gemeinsam: die kompetenten Frauen und die kompetenten Männer. Frauenförderung, so hat es zuletzt eine Studie aus Schweden gezeigt, schadet vor allem einer Gruppe: der der mittelmäßigen Männer. Nun gut. Das ist etwas, mit dem man leben kann.

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