Kommentar:Gegen die Sammelwut

Der Bundesgerichtshof hat dem Kartellamt in seinem Kampf gegen das soziale Netzwerk Facebook den Rücken gestärkt. Das ist wichtig - und kann gut für Millionen Nutzer sein. Sie bekommen die Macht über ihre Daten zurück.

Von Caspar Busse

Es hat zwar lange gedauert, doch das Ergebnis ist durchaus zu begrüßen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in der Causa Bundeskartellamt gegen Facebook jetzt überraschend eindeutig auf die Seite der Wettbewerbshüter gestellt. Die Karlsruher Richter stützen damit den harten Kurs von Kartellamtspräsident Andreas Mundt gegen das weltweit größte soziale Netzwerk und korrigieren das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Davon werden mittelfristig womöglich Millionen Nutzer in Deutschland profitieren. Denn sie könnten die Macht über ihre Daten zurückbekommen, zumindest teilweise.

Die Entscheidung aus Karlsruhe ist wichtig und kann durchaus als Durchbruch bezeichnet werden, auch wenn das komplizierte Verfahren damit noch nicht abgeschlossen ist. Denn nun ist wieder das OLG in Düsseldorf an der Reihe, um den Fall im Detail zu prüfen. Der BGH hat den Kollegen aber in der Sache kaum noch Spielraum gelassen.

Es geht um einen Präzedenzfall für die gesamte Digitalwirtschaft. Erstmals wird höchstrichterlich festgehalten, dass der Zugang zu Daten und deren Verwendung erheblichen Einfluss auf den Wettbewerb haben kann und deshalb genau geprüft werden muss. Erstmals werden damit dem Geschäftsgebaren von Facebook Grenzen gesetzt, zunächst in Deutschland. Nicht ausgeschlossen aber, dass das dann auch bei der EU und in anderen europäischen Ländern Schule macht, die Bonner Behörde geht in Abstimmung mit den Kollegen in Brüssel vor.

Wer derzeit ein Konto bei Facebook unterhält, hat keine Wahl, er muss der Nutzung und umfangreichen Erhebung von Daten zustimmen. Gesammelt werden dabei personenbezogene Daten, die bei der Nutzung der Facebook-Dienste sowie der von Tochterunternehmen wie Whatsapp und Instagram entstehen. Außerdem werden aber auch Daten zusammengeführt, die bei vielen anderen Diensten hinterlassen werden, also außerhalb von Facebook. Diese Sammelwut ist das Geschäftsmodell von Facebook, denn die Daten, die so viel über die Nutzer verraten, sind sehr wertvoll, für die Wirtschaft etwa oder für Werbungtreibende. So ist personalisierte Werbung möglich, die besonders teuer verkauft werden kann.

Für Facebook geht es um sehr viel, der Konzern macht Milliardengewinne

Facebook nutze seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich aus, indem man die Nutzer einfach zwinge, dem umfangreichen Datensammeln zuzustimmen, auch außerhalb der Facebook-Welt, kritisiert dagegen das Bundeskartellamt. Einige Jahre hatte die Behörde ermittelt, den Markt analysiert, Beteiligte befragt, auch mit den Verantwortlichen des sozialen Netzwerks gesprochen und sie zum Einlenken ermuntert. Im Februar vergangenen Jahres dann untersagte das Kartellamt Facebook diese Praxis, es müsse künftig eine Wahlmöglichkeit für die Nutzer geben, wie viele der Daten wirklich abgeschöpft werden dürfen. Der US-Konzern wehrt sich vehement - zunächst mit Erfolg vor dem OLG Düsseldorf - und hat nun eine Niederlage vor dem BGH hingenommen. Jetzt muss Facebook das umfangreiche Datensammeln vorerst stoppen (unklar bleibt, wie das dann kontrolliert wird). Es geht um viel: In der Verhandlung in Karlsruhe wies der Facebook-Anwalt ausdrücklich darauf hin, dass ein sofortiger Vollzug der Anordnung "erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen" für Facebook habe.

Das Kartellamt hat schon lange die zunehmende Macht der Internetkonzerne im Visier. Facebook, Amazon, Google - die meisten kommen aus den USA, Versuche, europäische Gegenspieler aufzubauen, sind bislang kläglich gescheitert. Das Problem: In der Online-Welt gibt es eine gefährliche Tendenz, dass sich Marktmacht immer weiter verstärkt. Ein soziales Netzwerk mit vielen Mitgliedern zieht immer mehr an und verdrängt die Konkurrenz. Die Google-Suche wird mit steigender Nutzerzahl immer besser, andere kommen dagegen nicht mehr an.

Dazu kommt: Vielen Nutzern ist noch immer nicht völlig klar, dass die Dienste großer Internetanbieter nicht umsonst sind, es wird nur nicht mit Geld bezahlt, sondern mit den eigenen Daten. Und die können durchaus wertvoll sein. Facebook macht damit Milliardengewinne.

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