Kommentar:Gebt die Daten frei!

Aber der Datenschutz! Wann immer es um die Vernetzung der Lebenswelt geht, kommt dieses Argument. Doch ein allzu enges Verständnis bremst positive Entwicklungen aus.

Von Katharina Kutsche

Den Menschen und seine Lebensbedingungen dürfe man nicht aus den Augen verlieren auf dem Weg in die Digitalisierung, sagt Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin erzählte bei der Eröffnung der IT-Messe Cebit von einer Japanreise und wie sehr es sie beeindruckt habe, mit welcher Offenheit auch ältere Japaner den digitalen Veränderungen in ihrer Lebenswelt begegnen. Dass ihr diese Offenheit so deutlich auffiel, sagt nicht allzu viel aus über die Japaner, aber viel über die Haltung der Deutschen.

Sie stehen der Vernetzung ihrer Lebenswelt nicht so offen gegenüber. Dabei könnten sie von Smart Citys, also intelligenten Städten, genauso profitieren. Die Menschen in Deutschland sind daher gut beraten, ihr Verständnis vom Datenschutz zu überdenken. Je mehr Menschen vom Land in die Städte ziehen, desto dringlicher ist es, etwa den Nahverkehr so zu steuern, dass er die Bedürfnisse der Bewohner deckt. Und im ländlichen Raum, der seine Versorgung für immer weniger Menschen aufrechterhalten muss, müssen die Kommunen umso dringender wissen, was ihre Einwohner benötigen.

Allzu oft wird der Datenschutz als Argument herangezogen, die Vernetzung des öffentlichen Raums auszubremsen. Zu groß ist bei manchen Bürgern die Sorge, Unternehmen oder - noch schlimmer - der Staat könnte etwas über sie erfahren, das ihnen in irgendeiner Form zum Nachteil gereicht. Dabei hat der öffentliche Dienst schon bei seinen Kernaufgaben mit Personalmangel zu kämpfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Mitarbeiter abstellt, um die individuellen Verkehrswege der Einwohner zu überwachen, ist eher gering. Damit die Vernetzung der deutschen Städte die Wirkung bekommt, die sie braucht, müssen alle Beteiligten ihren Teil dazu beitragen.

Für Hacker sind Strom- und Verkehrsnetze eine interessante Spielwiese

Erstens, die Unternehmen. Wer im Auftrag der öffentlichen Hand baut, versorgt, vernetzt, ist in der Pflicht, Zugänge und Leitungen besser zu schützen. Für Hacker sind Strom- und Verkehrsnetze eine interessante Spielwiese. Wer Böses im Schilde führt, muss oft nur die richtigen Zugänge kennen, ein paar Klicks reichen für die feindliche Übernahme. Wenn Unternehmen hier nicht von sich aus sorgfältiger arbeiten, können sie nicht erwarten, dass die Bürger ihnen vertrauen.

Zweitens, die öffentliche Hand. Kommunale und städtische Behörden müssen so transparent wie möglich arbeiten. Wenn die Daten, die sie für eine Smart City benötigen, so anonymisiert sind, dass die Bürger sich keine Sorgen machen sollen, dann sollte auch jeder Zugriff darauf haben. Daten aus dem Straßenverkehr, Umweltmessungen oder Energieverbräuche können für alle interessant sein, die sie verursachen. Aufgeklärte Bürger bekommt man aber nur, wenn man zulässt, dass sie sich aufklären. Wer eine Stadt vernetzt, sollten ihren Bewohnern zeigen, was sich dahinter verbirgt.

Datenschutz ist nicht das Gleiche wie Datensicherheit

Nach wie vor stellen Behörden Informationen nicht in dem Umfang automatisiert zur Verfügung, zu dem sie eigentlich per Gesetz verpflichtet sind. Nach wie vor haben vier deutsche Bundesländer kein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet. Die öffentliche Hand muss endlich die Hosen herunterlassen und den Bürgern die Offenheit bieten, die sie selbst ihnen abverlangt.

Drittens, die Bürger selbst. Ja, die Datenschutzgesetze in Deutschland sind streng - das ist auch gut so. Aber Datenschutz ist nicht das Gleiche wie Datensicherheit. Und die lässt sich technisch durchaus in einem Maße herstellen, dass man sich als Bürger entspannen kann. Auch zukünftig sollten personenbezogene Daten nicht ohne gesetzliche Grundlage und strenge Kontrolle erhoben oder zu falschen Zwecken verwendet werden. Doch die meisten Funktionen einer vernetzen Stadt arbeiten ohne individuelle Informationen. Wenn ein besserer Verkehrsfluss in den ohnehin schon überlasteten Städten dadurch erreicht werden kann, dass Ampeln und intelligente Straßenlaternen zählen, wie viele Menschen und Fahrzeuge sie passieren, was spricht dagegen? Statt aus einer abstrakten Angst heraus jede Art von Vernetzung im Zweifelsfall abzulehnen, sollten Bürger ihre Auskunftsrechte proaktiv nutzen. So geben sie zwar ihre Daten aus der Hand, aber nicht die Kontrolle darüber. Wer weiß, was Städte und Gemeinden mit seinen Daten machen, erkennt auch den direkten Nutzen. Und kann im Rahmen der Bürgerbeteiligung selbst dazu beitragen, dass seine Umgebung in eigenem Sinne smart wird.

Technisch möglich ist das ohnehin schon lange. Wenn sich jetzt noch die ewigen Bedenkenträger locker machen, kann das mit der Smart City richtig gut werden.

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