Kommentar:Für eine Kultur der Reparatur

Lea Hampel

Lea Hampel empfiehlt zum Thema Touristik Mark Twains Reisetagebuch "Die Arglosen im Ausland". Hebt die Laune auf der Couch und am Strand. Illustration: Bernd Schifferdecker

Es ist gut, dass die Europäische Union die Vorgaben für Firmen zu Ersatzteilen verschärft. Doch es lohnt sich auch für Verbraucher, ihren Umgang mit beschädigten Gegenständen zu überdenken.

Von Lea Hampel

Am Wasserkocher springt die Feder für den Deckel raus, an der Waschmaschine bricht der Griff fürs Pulverfach ab: Alltagsleben. Es folgt entweder sehr langes Warten am Telefon in der Kundenserviceschleife oder gleich die Fahrt zum Wertstoffhof mit anschließendem Besuch in einem Elektrofachmarkt - nur um das Spiel mit dem gleichen Produkt wenige Jahre später zu wiederholen.

Das Problem ist: Angesichts von Ressourcenknappheit und Klimawandel ist es nicht sinnvoll, Dinge wegzuwerfen, weil ein Detail nicht funktioniert. Deshalb ist die EU-Richtlinie wichtig, die im Jahr 2021 in Kraft tritt. Ersatzteile müssen schneller und länger verfügbar sein, Reparaturen einfacher werden. Und es ist wichtig, dass es eine Bürgerbewegung für ein "Recht auf Reparatur" gibt. Doch das kann nur ein Anfang sein. Auch die Verbraucher müssen umdenken.

Um schnelllebigen Konsum wird oft eine Henne-Ei-Debatte geführt. Hersteller behaupten, die Kunden wollten immer neue Modelle und seien nicht bereit, mehr Geld für langlebigere Produkte auszugeben. Kunden und Verbraucherschützer halten dagegen: Produkte seien auf Zerfall angelegt, auch Teures halte nicht lange oder sei nicht zu reparieren. Unreparierbar? Wie wäre es mit einer "Kultur der Reparatur", wie es der Chef des Deutschen Museums in München, Wolfgang Heckl, so schön formuliert hat?

Auf den ersten Blick mag die neue Waschmaschine für 250 Euro kaum teurer sein als die Reparatur für 180 Euro. Aber die Frage ist, ob das neue Teil angesichts eines so niedrigen Preises nicht relativ schnell wieder funktionsuntüchtig wird. Zudem sind mittlerweile die Steigerungen der Energieeffizienz so gering, dass die Einsparungen bei Stromkosten durch ein neues Modell nicht die Neuanschaffungskosten kompensieren. Eine Beschaffung hat außerdem indirekte Kosten: die Produktrecherche, die Zeit für Einkauf und Entsorgung.

Wenn die Verbraucher ihr Verhalten ändern, werden die Unternehmen bald nachziehen

Dinge reparieren zu lassen oder selbst wieder funktionstüchtig zu machen, ist auf gewisse Weise so einfach wie nie zuvor. Wir leben nicht nur in der Wegwerfgesellschaft, sondern auch in einer Informationsgesellschaft. Wer keine Zeit hat, selbst Hand anzulegen, kann im Internet in Sekunden herausfinden, wo der nächste Schneider ist, der die Jeans flickt. Wer wenig Geld oder keine Lust hat, andere zu beschäftigen, hat es leichter als früher: Ist der Griff am Herd abgebrochen, kann man ihn online nachbestellen. Bricht ein Teil am Fahrradsitz, kann man es in einem 3-D-Drucker-Shop nachfertigen lassen. Dazu, wie spezifische Gegenstände zu reparieren sind, finden sich unzählige Videos und Texte von begeisterten Bastlern im Internet. Wem das nicht reicht, der gehe in ein Repaircafé, wo man Werkzeug und Rat erhält.

Das Reparieren hat positive Nebeneffekte: Nicht nur, weil man sich fähig fühlt, wenn man etwas mit den Händen schafft - das ist in Zeiten, wo viele Menschen ihre Zeit vor Bildschirmen und in Besprechungen verbringen, ein Ziel, mit dem an anderer Stelle teure Töpferkurse vermarktet werden. Sondern auch, weil man ein anderes Verhältnis zu Dingen entwickelt, ein Gefühl für ihren Wert.

Das könnte das Einkaufsverhalten ändern: Wer weiß, wie viel Technik in einem Toaster steckt, ist bereit, mehr dafür zu bezahlen und das teurere Modell zu wählen, wenn dafür der Griff austauschbar ist. Ein verändertes Kundenverhalten vermag die Hersteller zum Umdenken bewegen. Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist Ikea. Lange war es ein Standardwitz in Partygesprächen, wie einzelne Teile schon kaputt geliefert werden und den Aufbau verhindern. Längst vorbei. Ein Grund dafür mag sein, dass man sich heute jeden einzelnen Dübel nachschicken lassen kann.

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