Eigentlich könnte es ein gutes Vorzeichen für den Wohnungsmarkt in Deutschland sein: Die großen Wohnungsgesellschaften haben im vergangenen Jahr viel Kapital von Investoren eingesammelt; auch 2016 können sie sich zu sehr günstigen Konditionen finanzieren. Damit ließen sich viele Neubauten realisieren. Schließlich fehlen in vielen Ballungszentren günstige Wohnungen - und der Bedarf wird dort weiter steigen.
Leider trugen die Konzerne bislang kaum zur Lösung des Wohnungsmangels bei. Die großen privaten Vermieter kaufen lieber vorhandene Wohnungen auf, statt in neue zu investieren - dieser Eindruck entsteht zumindest. Beispielsweise übernahm der Marktführer Deutsche Annington im vergangenen Jahr Konkurrenten im Wert von sechs Milliarden Euro, finanziert durch neue Aktien und neue Schulden. Der Konzern heißt jetzt Vonovia und will in diesem Jahr den Mitbewerber Deutsche Wohnen kaufen - für 14 Milliarden Euro. Mit diesem Geld könnte man weit über 100 000 neue Wohnungen bauen. Mietervertreter ärgern sich zu Recht, dass das nicht passiert.
Neubauten sind vielen großen Unternehmen zu riskant
Zwar bauen die Wohnungskonzerne immer mehr Dachgeschosse aus und planen Anbauten auf bestehenden Grundstücken. Doch es dauert oft zu lange, bis diese Projekte genehmigt werden. Echte Neubauten sind den großen Unternehmen meist zu teuer und zu riskant, auch weil Bauland knapp ist.
Viele Wohnungsgesellschaften in städtischem Besitz gehen Neubauprojekte dagegen angesichts der hohen Zuwanderung beherzter an - auf Druck der Politik, aber auch, weil sie nicht so sehr auf ihre Gewinnmargen achten müssen wie börsennotierte Großvermieter. Freilich konnten Konzerne wie Vonovia nur deshalb so groß werden, weil viele Kommunen und Bundesländer ihre eigenen Immobiliengesellschaften verkauft haben. So sehr das manche im Nachhinein bedauern mögen: Die Politik wird ihre Kontrolle über den Wohnungsmarkt nicht zurückkaufen können. Dafür sind auch die Preise viel zu stark gestiegen. Der Staat muss vielmehr die richtigen Anreize setzen, damit sich Neubauten lohnen. Und er muss falsche Anreize abschaffen.
Private Konzerne können mit einem Trick die Grunderwerbsteuer umgehen
Aus Sicht der Steuerzahler setzt etwa das Schlupfloch bei der Grunderwerbsteuer ein solches falsches Signal: Während Privatleute beim Immobilienkauf je nach Bundesland bis zu 6,5 Prozent des Preises abführen müssen, dürfen die Wohnungskonzerne bei vielen großen Deals die Grunderwerbsteuer umgehen: Sie kaufen Mietshäuser nicht komplett auf, sondern beteiligen sich nur zu knapp 95 Prozent an einer Tochterfirma, der die Gebäude gehören. Dadurch wechselt der Eigentümer im Grundbuch nicht - und es wird keine Steuer fällig. Durch diesen Trick entgehen dem Staat Einnahmen von einer halben Milliarde Euro pro Jahr, schätzen Experten. Die Politik macht Wohnungs-Deals günstiger, als sie sein müssten.
Aus Sicht der Mieter haben die großen privaten Eigentümer außerdem einen zu hohen Anreiz, durch Modernisierungen die Mieten in den gefragten Städten in die Höhe zu treiben, statt neue Wohnungen zu bauen. Deshalb sind die Pläne von Bundesjustizminister Heiko Maas zunächst einleuchtend. Er schlägt vor, Eigentümer sollten nur noch einen kleineren Teil der Modernisierungskosten auf die Mieter umlegen dürfen.
Maas begrenzt nur die Symptome des Wohnungsmangels
Wenn Maas seine Reform durchsetzt, sollte die Regierung aber darauf achten, dass sie kein Eigentor schießt. Denn viele Modernisierungen senken den Energiebedarf der Wohnungen, was entscheidend für die Klimaziele der Bundesregierung ist. Zudem entstehen durch manche Sanierungen neue Wohnungen, beispielsweise wenn der Eigentümer das Dachgeschoss ausbaut. Solche Umbauten sollte der Staat an anderer Stelle stärker fördern, wenn die Modernisierungsumlage sinken sollte.
Justizminister Maas will Sanierungen unattraktiver machen, damit die Mieten in den Ballungszentren nicht so sprunghaft steigen. Auch die Mietpreisbremse ist mit diesem Ziel eingeführt worden. Maas stellt sich mit den Reformen zwar demonstrativ auf die Seite der Mieter - bekämpft aber nur die Symptome des Wohnungsmangels. Auf Dauer wird sich der Markt erst entspannen, wenn mehr Wohnungen in den Städten bezugsfertig werden. Zwar werden in Deutschland langfristig weniger Menschen leben. Doch die jungen Leute zieht es in die Ballungszentren - egal ob sie aus dem Ausland geflohen sind oder sich aus dem Inland auf den Weg begeben.
Die gefragten Städte brauchen neue Wohnungen dringender als neue Preisbremsen. Am nötigen Kapital fehlt es der Wohnungswirtschaft jedenfalls nicht.