Kommentar:Europa zum Nachahmen

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Ein Green Deal in Europa wird nicht reichen. Das Risiko ist hoch, dass Rivalen sich freuen, weil sie wettbewerbsfähiger werden, wenn nur europäische Firmen strengeren Regeln unterliegen. Klimaschutz kann nur global funktionieren.

Von Björn Finke

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergleicht die ehrgeizigen Klimaziele der Europäischen Union gerne mit dem US-Programm zur Mondlandung: ein Projekt, das die Menschen begeistert, aber enormer Anstrengungen bedarf. Doch ob die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten ausreichend gebremst werden kann, hängt nicht allein von Europa ab. Diese neue Mondlandung gelingt nur, wenn sämtliche Wirtschaftsmächte mitziehen. Der enttäuschende Ausgang der Klimakonferenz in Madrid weckt allerdings ernste Zweifel an der Bereitschaft dazu.

Brüssel muss versuchen, das zu ändern - und der "Grüne Deal", das allumfassende Klimaschutzprogramm der neuen Kommission, sieht hierfür auch Instrumente vor. Diese werden manchen Ärger mit ausländischen Regierungen provozieren. Aber dieser Ärger muss sein.

Die EU steht für weniger als zehn Prozent des Ausstoßes an Treibhausgasen weltweit, und dieser Wert soll bis 2030 auf fünf Prozent sinken. Diese Größenordnung zeigt, dass der wichtigste Beitrag von Brüssels Grünem Deal nicht darin liegen kann, Europas Emissionen zu verringern. Viel bedeutender ist es, indirekt Klimaschutz im Rest der Welt zu befördern.

Von der Leyen hofft, dass die EU ein Beispiel setzen wird: Staaten auf anderen Kontinenten würden demnach erkennen, dass nachhaltigeres Wirtschaften möglich ist. Die Deutsche betont auch immer, dass der Grüne Deal ein Wachstumsprogramm ist, das viele Jobs schaffen und hiesige Firmen zu Vorreitern bei grünen Technologien machen soll. Das klingt sexy und nachahmenswert, aber natürlich wird der Umbau der Wirtschaft zunächst einmal teuer und mühsam sein. Und das Risiko ist hoch, dass Rivalen wie die USA oder Schwellenländer dem leuchtend grünen Beispiel nicht folgen, sondern sich darüber freuen, dass Europas Industrie nun strengeren und damit teureren Öko-Regeln unterliegt. Firmen von außerhalb der EU könnten Europas Hersteller unterbieten; Manager könnten geneigt sein, Fabriken aus dem grünen Europa in die billigere Fremde zu verlagern. Jobs wären verloren, dem Klima aber nicht geholfen.

Solange Brüssel diese Gefahr nicht bannt, wird es unter den Mitgliedstaaten keine Mehrheit für ehrgeizige Maßnahmen geben - der komplette Grüne Deal könnte scheitern. Doch Abhilfe ist möglich. So kann die EU Klimaschutz betreiben, indem sie schärfere Verbrauchs- und Ökostandards für Haushaltsgeräte oder Autos erlässt. An die müssen sich dann alle Anbieter halten, die in Europas riesigem Binnenmarkt verkaufen wollen: EU-Firmen wären also nicht benachteiligt. Zweitens finden sich in Handelsverträgen der EU bereits Klauseln, die Partner zum Klimaschutz verpflichten. Ein Abkommen, das zollfreie Exporte in die EU zulässt, ist sehr attraktiv für viele Regierungen - und ein Anreiz, die eigene Klimapolitik ambitionierter zu gestalten. Kritiker klagen aber, dass die Verträge bei Verstößen keine abschreckenden Strafen vorsehen. Hier muss Brüssel nachbessern.

Drittens wird die Kommission 2021 Vorschläge für ein sogenanntes Grenzausgleichssystem unterbreiten. Klingt kompliziert, ist es auch. Fabriken oder Kraftwerke müssen in Europa Verschmutzungsrechte kaufen für die Klimagase, die sie in die Luft blasen. Da die EU den Ausstoß senken will, wird der Preis für diese Rechte steigen. Dann werden mehr Manager in klimafreundlichere Technik investieren. Allerdings werden es die teureren Rechte erschweren, mit Rivalen von anderen Kontinenten mitzuhalten, in denen solche Vorgaben nicht existieren. Das Grenzausgleichssystem - manchmal Kohlendioxid-Grenzsteuer genannt - soll diesen Nachteil wettmachen: Gibt es in einem Land kein Verschmutzungsrechte-System oder sind diese Rechte sehr billig, müssen die dortigen Hersteller bei Exporten in die E U einen Ausgleich zahlen. Wollen Regierungen ihren Industrien das ersparen, müssen sie der EU beim Klimaschutz folgen.

Es wird nicht leicht, die Grenzsteuer so zu entwerfen, dass sie nicht die Regeln der Welthandelsorganisation bricht. Und die Abgabe würde mehr Bürokratie bedeuten. Das gravierendste Problem ist aber, dass andere Regierungen - etwa die von US-Präsident Donald Trump - das System als protektionistische Provokation begreifen und Strafzölle gegen die EU einführen könnten. In dem Fall würde der grüne Ausgleich glatt einen Handelskrieg auslösen. Die Risiken sind also groß, doch die EU muss es darauf ankommen lassen. Brüssel muss Europas Rivalen auf der Welt dazu bringen, mehr für das Klima zu tun. Ein europäischer Grüner Deal reicht nicht, nur ein globaler wird funktionieren.

© SZ vom 23.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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