Kinderbetreuung:Endlich aufgewacht

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Das Betreuungsgeld läuft aus, die Mittel werden in Kitas investiert. Das ist wichtig - auch für die Integration von Einwanderern.

Kommentar von Constanze von Bullion

Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, um die Dinge in Bewegung zu setzen. In der Chemie macht das der Katalysator, also ein Element, das beigemischt wird, damit ein Prozess in Gang kommt. Im Deutschland sind es jetzt die Flüchtlinge, die dafür sorgen, dass eine Milliarde Euro in die Kitas gesteckt wird.

Das Geld, das frei wird, weil das Betreuungsgeld ausläuft, wollte der Bundesfinanzminister eigentlich zu einem guten Teil kassieren, weil die Kosten fürs Elterngeld steigen. Nun geht der ganze Posten an die Länder, für Kitas und Familien. Das ist angesichts der Flüchtlingskinder, die bald in jedermanns Kindergarten auftauchen und erhebliche Zuwendung brauchen dürften, eine respektable Entscheidung. Aber es ist noch mehr: Es zeigt sich darin ein grundsätzlicher Mentalitätswandel.

Kitas gewinnen an Akzeptanz

Da ist zum einen die Erkenntnis, dass die Zukunft Deutschlands nicht nur von Kindern abhängt, die lange oder immer schon im Land leben. Zum anderen manifestiert sich, wie sich Familien und Arbeitsleben ändern. Noch vor wenigen Jahren galt gerade die Krippe für Kinder unter drei Jahren vielen Westdeutschen als eine Art Quälanstalt, ein herzloses Relikt des Kommunismus. Das hat sich fundamental geändert. Auch bei Konservativen, in Wirtschaft und im Hause Schäuble wird die Kita inzwischen als Ort von Zuwendung und frühkindlicher Bildung begriffen. Besonders für Kinder, deren Eltern wenig Bildung zu bieten haben, öffnet sie die Tür zu Spracherwerb und Sozialkompetenz. Ohne sie ist jeder Aufstieg in der Wissensgesellschaft verbaut.

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Wer nicht will, dass seine Kinder eines Tages ein Heer unzureichend gebildeter Einwanderer ernähren müssen, muss schon aus Eigennutz dafür sorgen, dass Kinder aller Kulturen erfolgreicher als bisher ins deutsche Schul-und Wertesystem eingefädelt werden. Aber auch Arbeitgeber sind erfreulicherweise aufgewacht und beginnen als Katalysatoren in diesem Lernprozess zu wirken.

Keine Frau wird gezwungen, ihr Kind zu verlassen

Der Fachkräftemangel macht's möglich, dass auf dem Arbeitsmarkt ausbildungsfähige Einwanderer gebraucht werden, aber auch gut qualifizierte Frauen, die bitte nicht mehr so lange bei den Kindern bleiben sollen. Wer meint, jetzt werde Müttern auch noch das Muttersein vermiest, sei beruhigt. Es wird keine Frau gezwungen, ihr Kind zu verlassen, um sich dem Kapitalismus an die Brust zu werfen. Aber das Land nähert sich langsam einem Zustand, in dem Frauen, die es wollen, beides sein können: eine gute Mutter und erfolgreich im Beruf.

Das Leben für Eltern wird anstrengender

Ohne Mühe ist all das nicht zu haben. Ja, Deutschland wird vielfältiger und das Leben anstrengender für Eltern, die sich Chancen und Pflichten gerechter teilen wollen. Aber es gibt da ermutigende Signale. Diese Woche zeichneten Arbeitgeber und Gewerkschaften mit der Familienministerin ein Memorandum, wonach es Arbeitnehmern erleichtert werden soll, ihre Lebens- und Berufsphasen individueller einzuteilen und stärker nach der Familie auszurichten. Dazu müssten "hochwertige, bedarfsgerechte und bezahlbare Ganztageskitas und Ganztagesschulen" her. Herzlichen Glückwunsch zu dieser späten Erkenntnis.

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Immerhin, familienfreundliche Jobs und wirtschaftlicher Erfolg werden jetzt zusammengedacht. Soll es nicht bei Erklärungen bleiben, muss allerdings noch viel passieren, vor allem bei Vätern. Jeder dritte sagt in Umfragen, er wünsche sich mehr Zeit für Kinder. Immer mehr Väter gehen auch in Elternzeit. Aber nur zwölf Prozent des Elterngeldes fließen an Väter. Alles neu ist im Land also noch lange nicht. Aber alle wissen: So wie es war, wird es nie mehr werden. Zum Glück.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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