Kommentar:Eine Frage der Solidarität

Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken wettern gegen eine europäische Einlagensicherung; im Falle einer Krise müsse Deutschland zahlen. Dabei spricht viel dafür, entsprechende europäische Regeln jetzt vorzubereiten.

Von Jan Willmroth

So aggressiv wie der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider reden Banker selten. Auf die geplante europäische Einlagensicherung angesprochen, drohte er Anfang Februar unverhohlen mit einer Großdemo vor der Europäischen Zentralbank: Sollte die Gemeinschaftshaftung überstürzt eingeführt werden, brauche man "halt mal 100 000 Leute vor der EZB". Einen Monat später nahm der neue Präsident des Sparkassen-Dachverbands, Helmut Schleweis, die Kunden in Geiselhaft. Ohne Beleg behauptete er, deutsche Sparer sähen in einer vergemeinschafteten Einlagensicherung "keinen Sicherheitszuwachs". Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken beklagt, Europa verwandle sich in eine "Transferunion".

Kein Thema bringt Deutschlands Banken-Lobbyisten so in Rage wie die europäische Einlagensicherung. Aus den Verbandsvertretern spricht Wut, in demagogischer Manier bringen sie die Bürger gegen eine der wichtigsten Reformen der Eurozone auf. Während die privaten Banken vorsichtig zustimmen, die Zeit aber noch nicht für reif halten, gehen die öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Institute einig mit etlichen Unionspolitikern auf die Barrikaden. Dabei haben EZB-Präsident Mario Draghi und Klaus Regling, Chef des Rettungsfonds ESM, in dieser Woche bloß Naheliegendes angesprochen: Es sei an der Zeit, die gemeinsame Einlagensicherung vorzubereiten.

Genossenschaftsbanken und Sparkassen verteidigen vor allem die eigenständige Einlagensicherung ihrer jeweiligen Verbände, denn diese habe sich bewährt. Allerdings muss man daran erinnern, dass auch sie im Fall der Finanzkrise nicht ansatzweise ausgereicht hätte. Warum hätten Angela Merkel und Peer Steinbrück sonst 2008 für sämtliche Spareinlagen garantieren sollen? Für diese immer noch implizite Staatsgarantie zahlen die Institute nichts. Das Argument, vor weiteren Schritten müssten zunächst die faulen Kredite in den europäischen Bankbilanzen abgebaut werden, läuft ins Leere: Dieser Abbau steht nicht im Widerspruch dazu, jetzt schon Dinge zu beschließen.

Eine gemeinsame Einlagensicherung in der EU wäre der nächste logische Schritt auf dem Weg zu einem besser integrierten, robusteren europäischen Finanzsystem. Denn auch Jahre, nachdem die Banken- zu einer Staatsschuldenkrise eskaliert war, ist die Gemeinschaftswährung mitnichten stabil genug, um eine erneute große Krise auszuhalten. Ein bedeutendes Element der Euro-Reformpolitik wartet seit Langem darauf, vollendet zu werden: die Bankenunion. Sie wird nur funktionieren, wenn Europas Banken gemeinsam für ihre Einlagen einstehen.

Es ist höchste Zeit, den nächsten Schritt auf dem Weg zur Bankenunion zu gehen

Seit dem Jahr 2010 sind Guthaben von Bankkunden europaweit bis 100 000 Euro gesetzlich geschützt. Das war eine Reaktion auf die Krise, in der auch die irische und griechische Regierung ihren Bürgern versprechen mussten, Spareinlagen seien unbegrenzt sicher, um einen Ansturm auf die Banken zu verhindern. Seit Mitte 2015 gibt es in jedem EU-Land einen Einlagensicherungsfonds, in den alle Institute einzahlen. Hat eine Bank Schwierigkeiten, soll sie zuerst Mittel aus dem Fonds erhalten und kein Steuergeld. Im Fall einer neuen Bankenkrise würden die nationalen Sicherungstöpfe abermals nicht ausreichen. Mit dem neuen System wäre das anders. Es gäbe damit endlich eine internationale Institution, die jeden Sparer in der EU gleichwertig absichert. Italienische Bankkunden könnten genauso auf die Sicherheit ihrer Ersparnisse vertrauen wie irische, finnische und deutsche. Das wäre ein Signal der EU an jeden Bürger.

Ein Missverständnis muss aus der Debatte verschwinden: dass deutsche Sparer bald für Pleitebanken im Rest Europas haften sollen. Im Gegenteil wäre es sogar weniger wahrscheinlich, dass Steuermilliarden draufgehen, um Institute zu retten. Das neue Sicherungssystem verlangt von den Banken - nicht den Kunden - höhere Beiträge zur europäischen Solidarität. Niemand redet davon, etwas zu überstürzen. Natürlich muss der Abbau fauler Kredite schneller ablaufen. Die Einlagensicherung ist zudem kein isoliertes Projekt, sondern ein Teil des nötigen umfangreichen Reformpakets, um die Eurozone weiter zu stabilisieren. Die EU-Finanzminister haben in diesem Jahr noch viel zu tun. Frei nach Draghi: Es ist jetzt an der Zeit für Vorbereitungen - denn im Fall einer neuen Krise bliebe dafür keine Zeit mehr.

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