Kommentar:Ein Fall für den Staat

Die Lufthansa ist so schwer von der Corona-Krise getroffen, wie kaum ein Dax-Konzern. Dabei hat die Fluggesellschaft in der Vergangenheit solide gewirt­schaftet, im Gegensatz zu einigen Konkurrenten. Die Bundesregierung sollte helfen.

Von Caspar Busse

Wenn es in den vergangenen Jahren etwas gab, über das sich Carsten Spohr schnell aufregen konnte, dann war es die staatliche Unterstützung für die Konkurrenz. Gerne prangerte der Lufthansa-Chef etwa die Strategie der Staats-Airlines vom Golf an, die mit massiver öffentlicher Unterstützung Marktanteile gewinnen wollten und der Konkurrenz das Leben schwer machten - koste es, was es wolle. Oder er kritisierte die großen amerikanischen Fluggesellschaften, die sich mit staatlicher Unterstützung sanierten und sich eines Teils ihrer Schulden entledigen konnten. Auch die Alitalia, die seit Jahren am Tropf der Regierung in Rom hängt und nur deshalb noch fliegt, kam selten gut weg.

Jetzt aber ist Lufthansa so schwer von der Corona-Krise getroffen wie wenige andere deutsche Dax-Unternehmen - und plötzlich selbst ein Fall für den Staat. Es wird über Kredite und Hilfen verhandelt, sogar ein Einstieg der staatseigenen KfW ist im Gespräch, von einer gesamten Unterstützung von bis zu zehn Milliarden Euro ist die Rede, das ist viel Geld. Bis Mitte der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die Fluggesellschaft zu 100 Prozent in Staatsbesitz und wurde dann schrittweise privatisiert, 1997 hat sich der Staat endgültig zurückgezogen, Lufthansa profitierte davon sehr. Denn der Staat ist selten ein guter Unternehmer, das zeigen viele Beispiele.

Bei aller (zu Recht vorgebrachten) Skepsis gegen Firmenbeteiligungen der öffentlichen Hand - es ist trotzdem richtig, wenn der Staat nun Lufthansa retten würde, zumindest für eine gewisse Zeit. Aus mehreren Gründen.

Eine Volkswirtschaft, die vom Export abhängig ist, braucht auch eine internationale Airline

Zunächst ist die mit Abstand größte deutsche Fluggesellschaft durchaus systemrelevant. Eine Volkswirtschaft, die so vom Export abhängig ist wie die deutsche, braucht unbedingt auch eine international präsente Airline. Nur so können wichtige Verbindungen angeboten werden, unabhängig von Interessen anderer Staaten, das gilt umso mehr in einer Welt, die sich - ob man das will oder nicht - mehr und mehr abschottet und von nationalen Überlegungen gelenkt wird. Lufthansa ist nicht irgendein Unternehmen, noch dazu mit vielen Arbeitsplätzen in Deutschland. Nicht umsonst hat etwa das Auswärtige Amt bei der groß angelegten Rückholaktion von Deutschen aus aller Welt vor allem auf Lufthansa gesetzt.

Zweitens trifft die Corona-Virus-Krise die Luftfahrtindustrie in bisher kaum vorstellbarem Ausmaß. Lufthansa hat mehr als 700 ihrer 760 Maschinen am Boden und bietet nur noch rund fünf Prozent seiner früheren Verkehrsleistung an, ein Großteil der Kosten läuft aber weiter. Der Flugplan der Airline sieht gerade ungefähr so aus wie der von 1955, mit einem Flugzeug- und Personalbestand aus dem Jahr 2020. Eine solchen Absturz kann kein Unternehmen abfedern. Dabei hat die Lufthansa in der Vergangenheit im Gegensatz zu einigen Konkurrenten solide gewirtschaftet. Ein größerer Teil der Flotte ist in eigenem Besitz, viele andere Airlines fliegen nur mit geleasten Maschinen. Lufthansa war zuletzt im Kern gesund, konnte gute Zahlen und ein funktionierendes Geschäftsmodell vorweisen, das nicht nur auf dem Verkauf von durchaus fragwürdigen Billigtickets basierte.

Drittens ist kein schnelles Ende der Krise in Sicht. Auch wenn die Restriktionen für den Flugverkehr irgendwann schrittweise aufgehoben werden sollten, ist offen, wann sich das Geschäft wieder normalisiert. Ob es in Zukunft noch immer so viele Geschäftsreisende wie zuletzt geben wird (von denen Lufthansa überproportional profitiert), darf bezweifelt werden. Viele lernen jetzt die Vorzüge von Videokonferenzen kennen und erfahren, wie viel man ohne Reisen erledigen kann. Zudem dürften die Reisebudgets in vielen Unternehmen dauerhaft gekürzt werden. Ungewiss ist auch, ob sich der Tourismus schnell erholen wird.

Einiges spricht dafür, dass der Bund mit einer sogenannten stillen Beteiligung bei Lufthansa einsteigen sollte, also ohne direkten Einfluss auf die operativen Geschäfte. An der Börse ist die Fluggesellschaft nach dem Absturz der Aktie nur noch gut vier Milliarden Euro wert, mit der Ausgabe neuer Aktien ist da nicht viel zu holen. Lufthansa muss aber auch klar sein, dass ein Einstieg des Staates Verpflichtungen mit sich bringt. So muss sich die Gesellschaft künftig mehr auf den Klimaschutz konzentrieren. Keinesfalls dürfen nicht-kostendeckende Billigtickets angeboten werden, die dann indirekt mit Staatsgeld subventioniert wären. Der Bund wird der Airline aus der Krise helfen können. Gemütlicher wird die Zeit für Konzernchef Spohr damit aber sicher nicht.

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