Kommentar:Die Zocker in Hannover

Die Rettung der Nord-LB könnte für die Steuerzahler teuer werden. Die Großaktionäre rechnen sich die Bankenwelt schön, versprechen Traumrenditen - und kriegen dafür von der Finanzaufsicht auch noch Rückendeckung. Wie kann das sein?

Von Meike Schreiber

Einmal im Jahr wird in Frankfurt Europas Banker des Jahres gewählt. Der Sieger für 2024 steht selbstredend noch nicht fest, aber es gibt zwei heiße Kandidaten. Sie kommen aus der deutschen Finanzprovinz und schicken sich an, ein Wunder zu vollbringen. Es handelt sich um Thomas Bürkle, Chef der Norddeutschen Landesbank (Nord-LB) in Hannover, sowie Reinhold Hilbers, Aufsichtsratschef sowie Finanzminister von Niedersachsen, dem Großaktionär der Nord-LB.

Bürkle und Hilbers sind in ihren Ämtern eher unscheinbare Vertreter, mit ihren Visionen für die herabgewirtschaftete Landesbank aber erstaunlich optimistisch. Denn die Nord-LB, die sich mit Schiffskrediten verhoben hatte und Ende Dezember mit 3,6 Milliarden Euro durch Steuerzahler und Sparkassen gerettet wurde, soll nach ihren Vorstellungen bis 2024 eine Eigenkapitalrendite von beachtlichen acht Prozent erwirtschaften. Das wäre ein Wunder, die meisten anderen Banken scheitern daran, und würde Hannover zum Anlaufpunkt für Finanzmanager machen, die nach Rezepten suchen, wie sie ihre mit Regulierung und Kundenflucht kämpfenden Banken sanieren.

Die Causa Nord-LB könnte man als Provinzposse abheften, würde sie nicht in vielerlei Hinsicht zur kritischen Draufsicht anregen. Zunächst: Wie will eine mittelgroße Landesbank auf derartige Traumrenditen kommen, ohne dass sie neue Risiken eingeht und später ein weiteres Mal den Steuerzahlen zur Last fällt? Die Politik sowie die an den meisten Landesbanken beteiligten Sparkassen haben dabei jedenfalls oft genug daneben gelegen. Es ist auch nicht wirklich beruhigend, dass sich die Nord-LB nun auf den deutschen Mittelstand konzentrieren soll, denn das wollen Dutzende anderer Banken auch.

In Deutschland kann nicht richtig sein, was in Italien falsch ist

Doch das ist nur die betriebswirtschaftliche Perspektive. Bedenklicher ist, dass die EU-Kommission den Plan von Bürkles und Hilbers offenbar derart überzeugend fand, dass sie die Rettung mit Steuergeld genehmigt hat, im Einvernehmen mit der Europäischen Zentralbank und der deutschen Finanzaufsicht Bafin.

Das ist fatal. Schließlich war eine Lehre der Finanzkrise, dass Banker nie wieder die Steuerzahler in Geiselhaft nehmen dürfen. Umso erklärungsbedürftiger, wenn mit der Nord-LB ein Institut am Leben gehalten wird, dessen Abwicklung nicht gerade Schockwellen ausgelöst hätte und ohne das dem Finanzplatz Deutschland nichts fehlen würde. Natürlich ist auch eine Abwicklung teuer. Fehlt einer Bank das Geschäftsmodell, ist es dauerhaft aber oft günstiger, sie abzuwickeln, statt sie krampfhaft am Leben zu halten.

Zudem ist die Rettung auf Staatskosten ein weiterer Beleg für deutsche Doppelzüngigkeit. Denn immer dann, wenn etwa der italienische Staat eine Bank rettet mangelt es nicht an verächtlichen Kommentaren in Richtung Süden. Dabei kann in Hannover nicht richtig sein, was in Italien falsch ist. Bedenklich ist auch, dass bislang eine Auseinandersetzung mit der Frage komplett fehlt, wer den Schaden zu verantworten hat. An dieser Stelle kommt Finanzminister Hilbers die Schlüsselrolle zu. Er will nicht einmal prüfen lassen, ob frühere Verantwortliche der Nord-LB in Regress genommen werden - dabei müsste er als Aufsichtsratschef eigentlich genau das tun. Aber dann würde der CDU-Politiker eventuell darauf stoßen, dass die frühere Landesregierung unter seinem Vorgänger Hartmut Möllring mit verantwortlich ist. Außerdem würde er wohl auf die Mitschuld der früheren rot-grünen Regierung in Bremen stoßen. Die dortige Landesbank, eine Nord-LB-Tochter, hat unter ihrer Obhut derart viele Fehler gemacht, dass sie ihre Mutter in Hannover später in den Abgrund gerissen hat.

Die fehlende Aufklärung geht einher mit einer gewissen Verlogenheit der rot-schwarzen Landesregierung. Diese argumentiert allen Ernstes, dass für die Rettung gar kein Steuergeld eingesetzt werde, weil die Milliarden ja von einer Beteiligungsgesellschaft kämen. Dabei muss sich auch diese verschulden, um das Kapital der Nord-LB zu erhöhen. Für Zins und Tilgung soll die Nord-LB mit ihrer Dividende aufkommen. Bloß: Fällt die Dividende aus, wie dies in den vergangenen Jahren die Regel war, muss Niedersachsen das Geld für den Schuldendienst woanders auftreiben. Außerdem kann sich das eingesetzte Kapital schlichtweg in Luft auflösen, wenn die Bank wieder Verluste macht. Dass Bürkle und Hilbers vor diesem Hintergrund dereinst als Banker Lorbeeren einheimsen werden, ist unwahrscheinlich. Eher werden sie die Steuerzahler eine weiteres Mal um Hilfe bitten müssen. Dass niemand in Deutschland oder Brüssel sie daran hindert, ist ein Skandal.

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