Kommentar:Die Unersättlichen

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Die globale Fusionswelle in der Bankenbranche wird auch vor Deutschland nicht Halt machen.

Von Andreas Oldag

Die amerikanische Bankenbranche lässt wieder einmal die internationale Finanzwelt erzittern. Die drittgrößte US-Bank J.P. Morgan Chase übernimmt in einer der größten Fusionen der Bankengeschichte für 58 Milliarden Dollar die Bank One.

Morgan Chase könnte nun sogar mit einer Bilanzsumme von 1,1 Billionen Dollar in absehbarer Zeit die Spitzenposition des größten US-Finanzdienstleisters Citigroup streitig machen.

Der Hunger der US-Banken auf Übernahmen scheint grenzenlos zu sein. Erst im vergangenen Herbst hatte die Bank of America den Konkurrenten Fleet Boston geschluckt.

Mischung aus Bewunderung und Ängstlichkeit

In der deutschen Bankenszene schaut man mit einer Mischung aus Bewunderung und Ängstlichkeit auf das, was sich derzeit in den USA abspielt.

Deutsche- Bank-Chef Josef Ackermann rechnet damit, dass 2004 der Startschuss für größere, grenzüberschreitende Fusionen in Europa fallen werde.

Doch die deutschen Geldkonzerne sind für Mega-Übernahmen schlecht gerüstet. Sie könnten Opfer der Eroberer von der Wall Street werden.

Citigroup-Aufsichtsratschef Sanford Weill hat bereits unverblümt zu Erkennen gegeben, dass er am Kauf eines deutschen Instituts interessiert sei. Er weiß, worum es geht. Deutschland ist in Europa der größte Markt.

Der Branche vorgemacht

Weill hat es der Branche vorgemacht: Durch milliardenschwere Übernahmen hat der Manager die Citigroup zur größten Bank der Welt ausgebaut.

Der Koloss, der an Finanzkraft einen mittelgroßen US-Bundestaat übertrifft, macht Monat für Monat rund eine Milliarde Dollar Gewinn.

Der Konzern hat genügend Geld in der Kriegskasse, dass er sich sogar an die Übernahme der Deutschen Bank herantrauen könnte. Der vergleichsweise moderate Aktienkurs von 64,80 Euro verstärkt dabei den Appetit.

US-Banken arbeiten im Durchschnitt mit geringeren Kosten als ihre europäische Konkurrenz. Während bei deutschen Instituten nach Branchenschätzungen von jedem verdienten Euro etwa 70 Cent durch Personalkosten und teure Vertriebswege verschlungen werden, dürften es bei der Citibank, der deutschen Tochter der Citigroup, nicht mehr als 41 Cent sein. Erreicht wird dies durch standardisierte Bankprodukte.

Weitgehend per Computer

In den USA werden die Anträge für Verbraucherkredite schon weitgehend per Computer bearbeitet. Den klassischen Filialangestellten, der sich sowohl um das Sparbuch als auch um den Kredit für einen Autokauf seiner Kunden kümmert, gibt es nicht mehr.

Individuelle Beratungsgespräche beschränken sich ohnehin häufig auf das Notwendigste. Am liebsten sehen es die Institute, wenn die Kunden ihre Bankgeschäfte am Automaten oder per Internet erledigen.

Das ist der Preis für die höhere Produktivität. Die deutschen Geldkonzerne werden sich vor solchen Änderungen nicht verschließen können. Sie müssen ihre Renditen steigern. Das bedeutet zwangsläufig den Abbau von Personal.

Die gesamte Branche steht vor einer fundamentalen Neuordnung. Zwar haben die Institute ehrgeizige Kostensenkungs-Programme gestartet, nachdem die Spekulationsblase an der Börse geplatzt ist. Doch das reicht noch lange nicht aus, um im globalen Konkurrenzkampf zu bestehen. Es hapert schlicht an der Größe.

Eitelkeiten der Manager

Geplante Fusionen wie zum Beispiel zwischen Deutscher Bank und Dresdner Bank oder zwischen Dresdner und Commerzbank scheiterten. Es fehlte an Mut und Risikobereitschaft. Eine Rolle spielten aber auch die Eitelkeiten der Manager, die ihre lieb gewonnenen Vorgärten pflegen wollen.

Nun hat sich sogar die Bundesregierung in die Neuordnung der deutschen Bankenlandschaft eingeschaltet. Doch fraglich ist, ob Berlin mit gut gemeinten Appellen viel ausrichten kann. Entscheiden wird ohnehin der Markt.

Und die Übernahme eines deutschen Instituts durch eine amerikanische Großbank muss noch nicht einmal das Schlimmste sein. Sie könnte vielmehr die Branche aufrütteln und endlich die dringend notwendige Konsolidierung auslösen.

© SZ vom 16.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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