Rente:Deutschland verrät seine Jungen

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Die Rentner von morgen: Aufnahme einer Mutter mit ihren Kindern in Brandenburg (Archiv) (Foto: dpa)

Sehr viele heute junge Menschen werden als Rentner weniger haben als gedacht. Dabei könnte die Politik einiges dagegen tun.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Die deutschen Ruheständler können sich freuen. Westdeutsche, die bisher 1000 Euro Rente im Monat beziehen, bekommen ab Juli gut 40 Euro mehr überwiesen. Im Osten sind es 60 Euro. Das ist nach manchmal dürren Zeiten eine satte Erhöhung. Viele Senioren dürften es als überfällige Anerkennung der Leistung eines langen Berufslebens empfinden. Sie können sich darauf einstellen, dass die Zuwächse in den nächsten Jahren mit erwartet gut zwei Prozent respektabel ausfallen - wenn Produkte wie derzeit kaum teurer werden, können sie sich beim Einkaufen oder im Urlaub mehr leisten.

Die große Masse der heutigen Senioren ist ganz gut versorgt. Die Bundesregierung muss also nicht noch mehr für sie tun. Doch sie gibt Milliarden aus, damit Beschäftigte schon mit 63 Jahren ohne Abzüge ihren Beruf aufgeben können. Und sie plant Milliarden auszugeben, um Geringverdienern einen wenig durchdachten Aufschlag zu gewähren. Damit setzt die Regierung völlig falsche Prioritäten. Sie sollte sich lieber um die Rentner von morgen kümmern. Denn für die sieht das Bild trister aus als für die derzeitige Seniorengeneration.

Weil auf jeden Ruheständler immer weniger Beschäftigte kommen, hat die Politik tiefe Einschnitte vorgenommen. Die Standardrente wird laut manchen Prognosen in 25 Jahren von heute etwa 47 auf 39 Prozent des durchschnittlichen Arbeitseinkommens geschrumpft sein. Vor 25 Jahren waren es noch 55 Prozent. Dies zeigt, wie viel schlechter künftige Alte gestellt sind. Und die Standardrente gilt nur für jene, die 45 Jahre Beiträge zahlen. Wer mal arbeitslos ist, länger Kinder betreut oder in schlecht entlohnten Teilzeitjobs festhängt, für den wird es wirklich knapp.

Die Erosion der gesetzlichen Alterssicherung wird sich noch bitterer auswirken, weil das von der Politik erdachte zweite Standbein hinkt: Die private Zusatzvorsorge funktioniert schlechter, als es sich der Gesetzgeber zur Jahrtausendwende vorstellte. Viele Menschen sorgen gar nicht vor. Oder sie stecken ihr Geld in Riester-Verträge, die Versicherungen hohe Provisionen einbringen, aber für Kunden wenig abwerfen. Um die damals schon umstrittene private Vorsorge zum Laufen zu bringen, lieferte sich die Regierung einst der Finanzindustrie aus, statt auf fairen Standardprodukten zu bestehen und die Chancen von Aktienanlagen zu fördern - ein Fehler, der bis heute, eineinhalb Dekaden später, unkorrigiert bleibt.

Nun nagt seit ein paar Jahren auch noch die historisch einmalige Nullzinspolitik an der Vorsorge. Die Europäische Zentralbank feuert immer verzweifelter Geldsalven ab und reißt damit riesige Löcher in die Altersverträge. Die Produkte dürften deutlich weniger Ertrag bringen. Sehr viele Deutsche werden im Ruhestand weniger haben als sie dachten. Vor zehn Jahren musste ein 35-jähriger Durchschnittsverdiener halb so viel in die private Vorsorge stecken wie heute, um im Alter bis zu einem eher frühen Tod mit knapp 80 Jahren den gewohnten Lebensstandard zu halten. Heute zwingen ihn die Nullzinsen, 360 Euro im Monat beiseitezulegen. Das muss einer, zumal mit Familie, erst mal schaffen. Mit anderen Worten: Die meisten schaffen es nicht.

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Die Politik könnte vieles tun, zum Beispiel eine Pflichtberatung finanzieren

Unter dem Zinstief leidet nicht nur die private Vorsorge, sondern auch die Betriebsrente. Auch sie soll die Kürzungen der gesetzlichen Rente auffangen. Doch um ihren Mitarbeitern im Ruhestand etwas auszahlen zu können, müssen die Firmen wegen der niedrigen Zinsen mehr ansparen. Vielen wird das zu teuer.

Vor den Ruheständlern von morgen, also den jungen Menschen von heute, entsteht ein düsteres Panorama: Die staatliche Rente wird immer kleiner. Und der geplante Ersatz füllt die Lücke nicht.

Es gibt viel, was die Regierung tun könnte. Die private Vorsorge stärker fördern. Kostengünstigere, renditeträchtigere Produkte einfordern. Und Beschäftigten eine Pflichtberatung bei Verbraucherschützern finanzieren. Doch die Regierung ignoriert die 20- bis 50-Jährigen. Stattdessen verpulvert sie für Rente mit 63 und Mütterrente bis 2030 150 Milliarden Euro - und versorgt eine gut versorgte Seniorengeneration noch besser.

Dabei wäre es höchste Zeit, dass sie umsteuert und mehr Gerechtigkeit zwischen den Generationen fördert. Im Jahr 2030 dürften mehr als 40 Prozent der Wähler älter als 60 sein. Dann lassen sich Reformen kaum noch durchsetzen.

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© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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