Kommentar:Die Liste der Schmerzen

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Wenn jeder weniger bekommt, jammern alle gemeinsam, und selbst schrille Töne gehen unter: An diesem Dienstag werden die Ministerpräsidenten aus Hessen und Nordrhein-Westfalen, Roland Koch und Peer Steinbrück, ihr überparteiliches Konzept zum Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen vorlegen.

Von Robert Jacobi

(SZ-Artikel vom 29.9.2003)— Das Land zehrt sich auf im Warten auf diese Liste. Es geht um Kürzungen, Streichungen und sonstige Gemeinheiten. Die Hausbauer sollen verlieren, die Pendler, die Schichtarbeiter und die Kohlekumpels ohnehin.

An diesem Dienstag werden die Ministerpräsidenten aus Hessen und Nordrhein-Westfalen, Roland Koch und Peer Steinbrück, ihr überparteiliches Konzept zum Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen vorlegen. Erste Details sickern längst durch. Die Summe soll sich auf etwas mehr als zehn Milliarden Euro in drei Jahren belaufen. Das ist ein Anfang. Aber auch nicht mehr.

Auf dem Papier wirkt die Zahl dennoch beeindruckend. Erst recht, weil in den vergangenen Jahren fast jeder Versuch, auch nur eine einzige Subventionsmilliarde zu kürzen, am Widerstand der Interessengruppen gescheitert ist.

Das Finanzsystem hat sich zu einer komplexen Maschine entwickelt, die auf der einen Seite Steuermilliarden ansaugt und unter enormem bürokratischen Aufwand sortiert, nur um sie auf der anderen Seite wieder auszublasen. Jede Regierung hat ihre Lieblingsklientel bedient, so dass letztlich fast alle Deutschen ein Anrecht auf irgend eine noch so kleine Subvention erworben haben.

Ein einstelliger Milliarden-Betrag wäre eine Lachnummer

Koch und Steinbrück ziehen daraus den einzig möglichen Schluss und kürzen prozentual fast überall. Wenn jeder weniger bekommt, jammern alle gemeinsam, und selbst schrille Töne gehen unter. Noch in letzter Minute machten beide Seiten deshalb Zugeständnisse, auch gegen den Willen ihrer jeweiligen Parteikollegen. Die Länderchefs hatten keine andere Wahl: So lautsprecherisch waren sie in ihre Kürzungsrunde gegangen, dass sie dringend einen zweistelligen Milliardenbetrag brauchten, um nicht eine Lachnummer zu bieten.

Dass die Suche nach einem Konsens so schwierig war, lässt für das weitere Verfahren wenig hoffen. Letztlich handelte es sich doch nur um ein Experiment, das nicht rechtskräftig ist. Koch und Steinbrück haben eine Vorlage an die Länder und die Bundesregierung geliefert, die Parteien sind daran nicht gebunden.

Das monatelange Gezerre um die Entfernungspauschale zeigt, wie schwierig es ist, solche Kürzungen in Gesetzesform zu fassen. Die Liste wird deshalb in der jetzigen Form nicht überleben. Ein entscheidendes Verdienst von Koch und Steinbrück aber bleibt: Wer für seine persönliche Subvention streiten will, braucht in Zukunft bessere Argumente.

Weil die Bürger in Vorleistung gehen sollen, muss die Politik jetzt noch dringender ihre Bringschuld erfüllen - die Schaffung eines einfachen und effizienten Steuersystems.

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