Kommentar:Die Geflüchteten brauchen Hilfe

Unternehmen und Verbände beklagen die mangelnde Sprachkompetenz von Geflüchteten. Dabei können gerade die Betriebe Eigeninitiative zeigen. Sie können leisten, was Experten fordern.

Von Lea Hampel

Als im Herbst 2015 die Zahl der Menschen stieg, die nach Deutschland flohen, konnten sich Skeptiker und Optimisten auf eine Sorge einigen: Die neuen Mitmenschen würden nicht schnell genug Deutsch lernen. Bald vier Jahre später scheinen die Sorgen bestätigt: Unternehmer und Verbände klagen, dass es schwer sei, geflüchteten Menschen Jobs zu geben, weil deren Deutsch schlecht sei. Integration, so der Tenor, gelänge so nicht, erst recht nicht auf dem Arbeitsmarkt.

Zwar sind die Zahlen nicht so schlecht, dafür, dass Experten bis zu zwei Jahrzehnte für eine vollständige Arbeitsmarktintegration als normal betrachten: Schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 verfügten zwei von drei Geflüchteten über mäßige bis sehr gute Deutschkenntnisse, das dürfte sich stark gesteigert haben. Doch natürlich gibt es Tausende, die arbeiten wollen und die gebraucht werden, deren Deutsch aber dafür nicht reicht. Das wird als Argument gegen die Integration vorgebracht und den Geflüchteten manchmal auch konkret vorgeworfen: Ihr wollt ja nicht! In Wirklichkeit aber gelingt Integration nur durch langes Engagement von vielen.

Zum ersten müssen die rechtlichen Bedingungen angepasst werden. Auch Asylbewerber mit unklarer Bleibeperspektive müssen an Sprachkursen teilnehmen - weil sie eine Aufgabe haben, weil es Alltagshürden abbaut und Fremdsprachenkenntnisse nützen, wenn jemand zurück in seine alte Heimat muss. Zudem muss es trotz unklarem Status möglich sein, zu arbeiten. Auch, wer Kisten packt, lernt dabei etwas Deutsch. Wird später klar, dass er bleiben darf, helfen diese Kenntnisse bei Arbeitssuche und Einarbeitung.

Auch die Praxis muss verbessert werden: Es hat lange gedauert, bis Integrationskurse gestartet sind, bis heute sind die Angebote nicht differenziert genug - es ist ein riesiger Unterschied, ob jemand das Alphabet oder Fachvokabeln lernen muss.

Besonders wichtig ist aber die Eigeninitiative von Unternehmen. Sie können leisten, was Experten fordern: individuelle Betreuung. Wer jedes Jahr über zu wenige Ausbildungskandidaten klagt, sollte die eigenen Ansprüche überdenken. Das muss nicht heißen, sie zu senken. Es kann aber eine Lösung sein, Bewerber so fit zu machen, dass sie diese Anforderungen erfüllen. Fast nirgends geht das so einfach wie mit Sprache. Niemand muss Deutschlehrer sein, um mit einem Mitarbeiter den Unterschied zwischen "der" und "die" zu üben. Man lernt Sprache nun mal am schnellsten im Alltag und wenn man Nutzen darin erkennt. Dass zudem mehr Menschen Deutsch lernen, wenn sie nicht mehr - wie derzeit oft - zwischen Sprachkurs und Job wählen müssen, sondern das kombinieren, ist klar.

Natürlich ist es ein Zusatzaufwand. Doch schon jetzt gibt es vor allem Handwerksbetriebe und Mittelständler, aber auch Konzerne, wo das funktioniert. Dort verständigen sich neue Kollegen in den ersten Wochen mit Händen und Wörterbüchern. Da machen Meister Hausaufgaben mit Lehrlingen und es gibt gemeinsame Sprachkurse mehrerer Unternehmen. An solchen Firmen gilt es sich ein Beispiel zu nehmen. Sie zeigen, dass das geht. Und, dass es sich lohnt.

Chefs dort berichten nicht nur von besonders motivierten Mitarbeitern. Sondern wie gut es ist, wenn Kollegen lernen, dass man füreinander Verantwortung übernimmt und jeden fördert, wo es notwendig ist. Etwas anderes können sich Arbeitgeber hierzulande auf lange Sicht ohnehin nicht leisten - flexible Angebote sind nicht nur bei Mitarbeitern mit Fluchthintergrund ein Thema. Es ist eine gute Gelegenheit zu lernen.

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