Kommentar:Die Falschen verachtet

Bankangestellte haben ein mieses Image. Geschieht ihnen recht? So eine Sichtweise führt nicht weiter. Denn die Kunden brauchen mehr denn je Unterstützung, ebenso die Unternehmen. Dazu braucht es eine neue Vertrauensbasis.

Von Stephan Radomsky

Der Banker als solcher hat ein mieses Image, statistisch ist das bestens belegt. Gerade drei Prozent der Deutschen zählen Bankangestellte zu den fünf Berufsgruppen, die sie am höchsten schätzen, berichtet das Allensbacher Institut für Demoskopie. Zum Vergleich: Ärzte kommen auf 76, Rechtsanwälte immerhin auf 24 und sogar Politiker schaffen sechs Prozent. Und das wird den Bankern gerade zum Verhängnis.

Die Finanzbranche erlebt einen brutalen Strukturwandel, der Tausende den Job kostet. Von Mitleid, gar Anerkennung der Politik für die Betroffenen aber keine Spur. Viel mehr hängt über alldem nur ein unausgesprochenes: "Geschieht ihnen recht!" Sich für die Tengelmann-Kassiererin einzusetzen, gilt als schick, aber Banker sind irgendwie pfui. Den gesamten Berufsstand derart mitleidlos abzukanzeln, ist aber nicht nur ungerecht, sondern auch gefährlich. Denn wer ein besseres, sichereres Finanzsystem will, ist gerade auf diejenigen angewiesen, die nun vor allem auf der Straße landen: Die Bankangestellten, die mit und für die Kunden arbeiten - und eben nicht nur durch hochkomplexe und riskante Finanzwetten versuchen, kurzfristig den Profit und damit ihren Bonus in die Höhe zu treiben.

Die Kunden brauchen mehr denn je Hilfe, etwa bei der Altersvorsorge

Noch immer leiden viele Institute unter den Folgen der Finanzkrise, die sie durch genau solche Deals selbst verursacht haben. Deshalb wurde die Regulierung verschärft, um Risiko weniger attraktiv zu machen. Weil aber die Zinsen nahe null verharren, ist das klassische Geschäft mit Einlagen und Krediten noch unattraktiver. Hinzu kommt, dass die Digitalisierung althergebrachte Geschäftsmodelle und damit viele Arbeitsplätze hinfällig werden lässt. Also jagt ein Sparprogramm das nächste. Zuletzt hat die Hypo-Vereinsbank angekündigt, zusätzlich zum laufenden Abbau von rund 1000 Stellen nochmals fast 1500 weitere Jobs zu streichen. Die Deutsche Bank dünnt zugleich ihr Filialnetz samt Mitarbeiterstamm aus, die Commerzbank will ebenfalls Tausende Beschäftigte loswerden, und auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken sparen, gern ebenfalls im klassischen Privatkundengeschäft.

Bankfilialen und die Jobs dort sollten auch gar nicht künstlich erhalten werden, schon gar nicht vom Staat und damit dem Steuerzahler. Gegen den Wandel einer ganzen Industrie kann die Politik wenig tun und sollte es auch nicht versuchen. Es würde den Staat nur Geld kosten, langfristig aufhalten ließe sich die Entwicklung aber nicht.

Die Politik müsste die Veränderung aber moderieren helfen - gerade im Finanzsektor. Es läge in ihrem eigenen Interesse, einerseits die Fehler klar zu benennen, aber auch positive Entwicklungen anzuerkennen. Eine arbeitsteilige und global vernetze Wirtschaft wie die deutsche kann auf Banken nicht verzichten. Sie braucht sie als Mittler zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Herstellern und Konsumenten, zwischen Lieferanten und Abnehmern in aller Welt. Computer und Algorithmen erledigen einen Teil dieser Aufgabe sicherlich einfacher, günstiger und schneller, als es Mitarbeiter können. Überflüssig ist der Mensch in der Bank damit aber keineswegs, seine Aufgabe verändert sich nur: Gerade wenn Standardlösungen nicht mehr greifen, wenn heikle Entscheidungen getroffen werden müssen, braucht es qualifiziertes und verlässliches Personal.

Dabei sind die moralischen Ansprüche an die Banker mit der Finanzkrise deutlich gestiegen. Viel Geld zu verdienen, reicht - zu Recht - nicht mehr aus. Heute aber fehlen Figuren wie die ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Hermann Josef Abs oder Alfred Herrhausen, geht dann die Klage. Solche, die sich noch als Bankiers im Dienste und Interesse ihrer Kunden verstanden, die nicht nur dem schnellen Bonus hinterherliefen. Und wo sollen sie auch herkommen? Zuerst wurden sie durch die Investment- und Schattenbanker an die Wand gedrängt und dann, nach dem großen Knall, als Berufsstand pauschal verachtet. Denkbar schlechte Voraussetzungen also, um nicht nur die klugen, sondern auch die integren Köpfe für die Aufgabe zu begeistern.

Die Kunden brauchen aber mehr denn je Hilfe, etwa bei der Altersvorsorge. Unternehmer sind auf langfristige Rückendeckung für ihre Entwicklung angewiesen. Und die Finanzmärkte müssen unter Kontrolle gehalten werden. Dazu braucht es nach den Exzessen des vergangenen Jahrzehnts aber eine neue Vertrauensbasis zwischen der Gesellschaft und ihren Banken. Sie wieder aufzubauen, ist zuvorderst Aufgabe der Banker selbst, die Politik muss ernsthaftes Bemühen aber anerkennen. Der herrschende Zynismus ist für alle ein schlechtes Geschäft.

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