Finanzen:Warum das Vermögen der Deutschen schrumpft

Wie kann es sein, dass der einzelne Deutsche nach Jahren des Booms ärmer geworden ist? Schuld ist nicht nur eine falsche Anlagestrategie.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Wer am Donnerstag eine Zeitung aufschlug, stieß auf zwei sehr unterschiedliche Nachrichten. Da rechnete das Berliner DIW-Institut vor, wie das Vermögen jedes deutschen Haushalts in der vergangenen Dekade geschrumpft ist: Um 20 000 Euro. Und am gleichen Tag genehmigte der Bundestag die nächste Milliardenhilfe für einen südeuropäischen Krisen-Staat. So wie diese Meldungen zusammenkommen, legen sie eine klare Botschaft nahe: Deutschland firmiert zwar in den europäischen Debatten stereotyp als reichste Nation - aber das Land ist gar nicht so reich, wenn man es aus der Perspektive einzelner Bürger betrachtet.

Schon 2013 erregte die Europäische Zentralbank Aufsehen mit der Kalkulation, dass Spanier und Italiener im Schnitt mehr besitzen als die Deutschen. Wer das alles zusammennimmt, bei dem mag sich Ärger aufstauen. Aber ist der berechtigt?

Um mehr Gerechtigkeit zu schaffen, ist eine andere Besteuerung nötig

Zu den Hilfspaketen lässt sich sagen, dass es sich zum einen um Kredite handelt, die jedenfalls offiziell zurückgezahlt werden sollen - und von manchen Ländern schon zurückgezahlt wurden. An den Rettungspaketen beteiligen sich alle Euro-Länder, Italien genau wie Deutschland. Und wer den Nutzen der Hilfen anzweifelt, muss sich fragen, welche volkswirtschaftlichen Kosten entstanden wären, wenn Irland und Portugal, Griechenland und Spanien aus der Währungsunion ausgeschieden wären.

Lässt man das Für und Wider der Euro-Rettungspolitik mal beiseite, bleiben trotzdem Fragen offen. Wie kann es sein, dass der einzelne Deutsche nach Jahren des Booms ärmer geworden ist? Und was lässt sich daran ändern?

Eine Erklärung ist, dass hierzulande die Preise für Immobilien, die einen großen Teil des Vermögens der Deutschen ausmachen, lange Zeit stagnierten. Zum Beispiel, weil die neuen Einheitszinsen der Europäischen Zentralbank ab dem Euro-Start in Deutschland angesichts niedriger Inflation eher hohe Zinsen für Baugeld bedeuteten. In Südeuropa dagegen entstand ein ungeheurer Häuser-Boom, seit dort zur Jahrtausendwende der Euro die Zinsen für Baugeld angesichts hoher Inflation extrem verbilligte. Diese Entwicklung hat sich im Reichtum der einzelnen Nationen niedergeschlagen. Sie wird nun langsam korrigiert, weil bei uns die Immobilien teurer werden und Spanien einen Crash erlebte. Die politische Folgerung wäre, dass in der Währungsunion besser darauf geachtet werden muss, einen künstlichen Häuser-Boom durch zu niedrige Notenbank-Zinsen zu vermeiden. Vor allem, wenn der wie in Spanien gesamtwirtschaftliche Probleme erzeugt, wegen derer die anderen Euro-Partner zu Hilfe eilen müssen.

Mehr Menschen müssen an Gewinnen von Firmen teilhaben

Es gibt aber auch Gründe für das Schrumpfen der deutschen Vermögen, die selbst gemacht sind. Das Land hat sich nach einer Schwäche in den Neunzigerjahren die Rückkehr an die wirtschaftliche Spitze mit moderaten Löhnen erkauft. Viele verdienten jahrelang kaum mehr und sammelten dadurch auch kein Vermögen an. Das ändert sich jetzt durch die Lohnsteigerungen der vergangenen Jahre langsam.

Anders ging es jener Minderheit, die von Gewinneinkommen profitiert, die in den vergangenen 15 Jahren meist zunahmen. Die Realität der Reicheren aber wird von der DIW-Studie nur unzureichend erfasst, weil über Vermögendere keine so präzisen Daten zu erhalten sind. Untersuchungen belegen, dass die Verteilung des Reichtums in den vergangenen Jahren eher ungleicher geworden ist. Ärmer ist also nur ein Teil der Gesellschaft geworden: der größere Teil.

Und die politische Folgerung? Um das Vermögen gleicher zu verteilen, wäre eine andere Besteuerung angebracht: Kapitaleinkommen generell nur mit 25 Prozent zu belegen und viele Familienfirmen steuerfrei auf die Nachkommen übergehen zu lassen, lässt sich nun noch weniger rechtfertigen als bisher schon.

Eine solche Umverteilung per Steuersystem aber hat Grenzen, wenn man negative Anreize vermeiden will. Zur Wahrheit gehört eben auch, dass die meisten Deutschen zu viel Geld in Anlagen investieren, die das Vermögen kaum mehren: Lebensversicherungen genauso wie Bausparverträge oder Sparkonten. Während sich der Deutsche Aktienindex verdoppelte, saßen mehr als 90 Prozent der Deutschen abseits. Nur wenn mehr von ihnen an den Gewinnen der Firmen partizipieren, wird die Verteilung der Vermögen gleicher. Das gilt umso mehr in der Wirtschaftswelt der Zukunft, in der intelligente Maschinen einen immer größeren Anteil der Wertschöpfung übernehmen. Von diesen Erträgen profitieren nur die Aktionäre - 90 Prozent der Deutschen also nicht.

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