Kommentar:Der runde Tisch ist die Lösung

Um eine Zerschlagung der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann noch abzuwenden, bedarf es jetzt eines kollektiven Vorgehens aller Akteure.

Von Michael Kläsgen

Diesmal ist es kein bloßes Gerede oder Säbelrasseln. Die Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann könnte tatsächlich kommen. Mit der Supermarktkette, die seit 15 Jahren Verluste schreibt, geht es noch steiler bergab, seitdem sie im Zuge der Ministererlaubnis zum Politikum geworden ist. Jetzt geraten sogar bislang rentable Filialen in die Verlustzone. Angesichts dessen ist es verständlich, dass der Eigentümer nicht Däumchen drehend darauf warten will, bis Gerichte entscheiden, ob er die Supermärkte nun an Edeka verkaufen darf oder nicht. Zumal das Votum des entscheidenden Gerichts, des Oberlandesgerichts Düsseldorf, ohnehin feststeht: Es hält die Fusion mit Edeka für nicht zulässig.

Daran wird sich nichts ändern, die erste Entscheidung im Eilverfahren fiel so klar aus, dass das Gericht keinen Rückzieher mehr machen kann.

Wenn der Eigentümer Karl-Erivan Haub alle Instanzen vor Gericht durchexerziert, wird er voraussichtlich Jahre auf ein rechtskräftiges Urteil warten müssen. Das dann lautet: Bitte verkaufen Sie die verbliebenen Filialen an mehrere Interessenten und nicht nur an Edeka. Die Läden würden derweil weiter Verluste auftürmen. Wenn man das Ergebnis ohnehin kennt, liegt es auf der Hand, nicht auf dessen Verkündung zu warten, sondern den Verkauf einzelner Filialen oder Paketverkäufe selber herbeizuführen.

Jeder Wettbewerber dürfte darauf hoffen, seinen Anteil zu bekommen

Leider ist das leichter gesagt als getan. Denn im Prinzip sind alle Interessenten an denselben 150 attraktivsten Standorten oder einem Teil davon interessiert. Die meisten davon liegen in München und Oberbayern, einige in Berlin. Die Pleitebetriebe in der Region Nordrhein will hingegen keiner wirklich, und daran wird sich auch kaum etwas ändern. Das war von Anfang an die Crux für Haub und der Grund dafür, ein Gesamtpaket an Edeka zu verkaufen. Wohlwollend betrachtet zeigte Haub hier Verantwortung für die Mitarbeiter in den Verlustläden.

Doch der Manager Haub hat den eklatanten Fehler begangen, es zuzulassen, dass diese Supermärkte so herabgewirtschaftet werden konnten und nun quasi unverkäuflich sind. Allein der Versuch, sie zu veräußern, bedingt, dass er große Zugeständnisse macht. Und eine Zerschlagung ist keine gute Lösung, weil er auf den Kosten für den Sozialplan sitzen bliebe. Auch die Abwicklung der Fleischwerke, die kein Konkurrent braucht, der Lager und Verwaltung wäre teuer.

Deswegen muss jetzt eine kreative Lösung her, eine, für die es keinen Präzedenzfall gibt. Sie besteht darin, die wichtigsten Akteure an einen Tisch zu holen und den Kuchen aufzuteilen. Im Idealfall gelingt es dabei, all jene, die Tengelmann-Filialen erwerben, davon zu überzeugen, unter die Vereinbarungen der Ministererlaubnis zu schlüpfen: also Tarifverträge abzuschließen. Dann wäre das zurückliegende Jahr, das geprägt war von dem Bemühen des Wirtschaftsministers, Arbeitsplätze zu retten, nicht verloren gewesen.

Unabdingbar für einen solchen runden Tisch wäre aber, dass nicht Haub allein über die Aufteilung der Filialen entscheidet, sondern dass das Kartellamt mit dabeisitzt und die Akquisitionen im Einzelfall genehmigt. Ansonsten könnten am Ende wieder wettbewerbsrechtliche Einwände jeden Deal sprengen. Dieses Verfahren ist schon deshalb schwierig, weil es voraussetzt, dass sich die bisherigen Kontrahenten zusammenraufen. Der Charme bestünde darin, dass jeder darauf hoffen darf, seinen Anteil zu bekommen. Zudem würde ein Maximum an Arbeitsplätzen gesichert. Einer Zerschlagung oder einem Verkauf an eine "Heuschrecke", sprich Finanzinvestor, wäre so ein Vorgehen allemal vorzuziehen.

Das zwei Jahre lange Hickhack um Tengelmann hat schon jetzt Dimensionen angenommen, die dem Fall nicht gerecht werden. Es geht hier nicht um die Fusion von Aldi und Lidl oder BMW und Volkswagen, sondern um den Verkauf einer verlustreichen Supermarktkette mit noch gut 400 Läden in ganz Deutschland. Dennoch unken Spötter, nur der Papst und die Uno hätten sich noch nicht dazu geäußert. Die große Aufmerksamkeit hat auch ihr Gutes. Es stehen jetzt Fragen im Raum, die geklärt werden sollten. Etwa zur Ministererlaubnis. Damit sich überhaupt noch ein Unternehmen traut, den Minister einzuschalten, sollte der Bundesgerichtshof (BGH) klären, wen der Minister unter welchen Umständen im Laufe des Verfahren treffen darf und wann das als unzulässiges Geheimgespräch zu werten ist. Es würde künftige Verfahren auch erleichtern, wenn das Gericht eine Liste erstellte, in der es Gemeinwohlgründe benennt, die Wettbewerbsbedenken überwiegen. Der Erhalt von Arbeitsplätzen mit Tarifbindung müsste dazugehören.

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