Kommentar:Der Letzte macht das Licht aus

Einige Großsparkassen wollen eine "Smartphone-Bank" gründen. Kleinere Institute fürchten um Konkurrenz aus dem eigenen Haus. Doch die Frage ist nur noch, ob man sich selbst Konkurrenz macht, oder ob die Kunden abwandern.

Von Harald Freiberger

Die Sparkassen erinnern manchmal stark an die DDR in den späten 1980er-Jahren, als Michail Gorbatschow den Satz prägte: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Ein anderer Spruch, der auf Erich Honecker gemünzt war, lautete damals: "Der Letzte macht das Licht aus."

Die Welt um die Sparkassen herum hat sich verändert. Über Jahrzehnte waren sie eine am Ort verankerte Institution, der die Kunden automatisch mit der Geburt zufielen und die diese ein Leben lang in Gelddingen begleitete. Man lebte gut von der Zinsspanne, also davon, dass man den Kunden für ihre Ersparnisse weniger Zinsen zahlte, als man von Firmen und Privatleuten für Kredite verlangte. Man machte sich ein bisschen Konkurrenz mit den Volks- und Raiffeisenbanken, aber es reichte gut für beide Gruppen.

Als vor gut 20 Jahren die Online-Banken aufkamen, wurde die Schwäche im Geschäftsmodell der Sparkassen erstmals offenkundig: Es gibt viele Kunden, die ihre Geldgeschäfte einfach per Telefon oder Internet erledigen wollen; sie brauchen keine Filialen mehr. Die Sparkassen aber müssen ihr teures Filialnetz unterhalten und können keine so günstigen Konditionen bieten wie Online-Banken. Eine eigene flächendeckende Online-Bank aufzubauen scheiterte am Widerstand der Sparkassen vor Ort, die an ihrem Regionalprinzip festhalten. Danach fühlt sich jede Sparkasse für die Kunden vor Ort zuständig, eine andere darf nicht um sie werben. Die Kunden aber stimmten mit den Füßen ab, was der Erfolg von Direktbanken beweist. Wenn's um Geld geht, heißt es - wie im Werbespruch - längst nicht mehr nur "Sparkasse", es heißt zum Beispiel oft auch "ING-Diba".

Die Situation hat sich nach Ausbruch der Finanzkrise noch verschärft, weil die Europäische Zentralbank die Zinsen auf null senkte, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen. Mit der Zinsspanne ist für die Sparkassen nicht mehr viel zu verdienen. Und schließlich schossen in den vergangenen Jahren immer mehr junge Fintech-Unternehmen aus dem Boden, die den Sparkassen mit einfachen Dienstleistungen Konkurrenz machen. Das Geschäftsmodell der Sparkassen ist demnach von drei Seiten unter Druck: von Online-Banken, vom Niedrigzins und von den Fintechs.

Und wie haben sie darauf reagiert? Es gibt in der Sparkassen-Organisation zwar viele Verantwortliche, welche die Probleme erkannt haben und denen bewusst ist, dass es so nicht weitergehen kann. Insgesamt aber gleicht die Organisation einem Tanker, der sich kaum umsteuern lässt. Er ist geprägt von Provinzfürsten, die unter Berufung auf das Regionalprinzip und aus Angst vor Veränderung am liebsten alles so lassen, wie es ist. Das aber wäre der sichere Weg in den Untergang. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Noch aber scheint es nicht zu spät zu sein. Eine Reihe von Sparkassen in Großstädten preschen nun mit einem Projekt voran, mit dem sie Fin-Techs wie Number 26 etwas entgegensetzen wollen: Eine technologische Plattform, die Girokonten und Geldgeschäfte per Smartphone ermöglicht, eine Art "Smartphone-Bank". Das aber würde bedeuten, dass die Plattform auch Kunden jenseits der jeweiligen Regionalgrenzen anspricht.

Die Frage ist, ob man sich selbst Konkurrenz macht, oder ob die Kunden abwandern

Gerade kleine Sparkassen fürchten, dass dadurch das Regionalprinzip ausgehöhlt wird. Es ist der klassische Konflikt zwischen Groß und Klein: Die Institute auf dem Land leiden vorerst nicht so sehr darunter, dass junge Kunden immer mehr Geldgeschäfte online oder per Smartphone erledigen wollen. Sie hoffen noch, das Problem aussitzen zu können.

Doch das wird nicht funktionieren. Der Trend beim Geld geht hin zum Digitalen. Die Kunden, die noch in Filialen gehen, um sich beraten zu lassen, werden nach und nach weniger. Wenn die Sparkassen den jungen, technik-affinen Leuten nichts anbieten, werden sie diese auf Dauer verlieren. Dann aber sind sie auch für jene Geschäfte verloren, mit denen die Institute derzeit Geld verdienen: mit dem Bausparvertrag, dem Immobilienkredit, dem Fondssparplan für die Altersvorsorge.

Viele Sparkassen fürchten, dass sie sich mit einer "Smartphone-Bank" selbst Konkurrenz machen. Doch die Frage ist nur, ob man sich selbst Konkurrenz macht, oder ob die Kunden zu anderen abwandern. Die Initiative ist der richtige Weg. Viel Zeit bleibt nicht mehr, sonst heißt es in nicht zu ferner Zukunft wirklich: Der Letzte macht das Licht aus.

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