Kommentar:Das Kungeln der Großen

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Für die Beschäftigten wäre ein paketweiser Verkauf der Filialen von Kaiser's-Tengelmann schon vor ein paar Jahren die beste Lösung gewesen. Jetzt drohen den noch 15000 Mitarbeitern die Folgen einer großen Kungelei unter den Handelskonzernen.

Von Michael Kläsgen

Das unwürdige Geschacher um die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann droht auf eine der schlechtesten aller Lösungen hinauszulaufen: auf einen außergerichtlichen Deal der Konzerne mit Unterstützung der Politik. Dass sich nun mit Altkanzler Gerhard Schröder ein Politiker in die festgefahrenen Gespräche einschalten soll, verheißt nichts Gutes. Die Konzerne scheinen zu versuchen, mit dem Segen eines Altkanzlers eine kartellrechtlich fragwürdige Aufteilung der Läden durchzuboxen.

Besser wäre es, alle Kaufinteressenten zu berücksichtigen. Und davon gibt es viele: Migros (Tegut) aus der Schweiz, Bartels-Langness aus Kiel, die Coop Kiel, Bünting aus Norddeutschland und weitere. Es hat deswegen keinen Sinn, Schröder als Schlichter einzuschalten und gleichzeitig den Verkauf an Dritte zu untersagen, solange das Schlichtungsverfahren läuft. Dahinter verbirgt sich der leicht durchschaubare Versuch der beiden großen deutschen Lebensmitteleinzelhändler, Edeka und Rewe, sich die Märkte untereinander aufzuteilen.

Eine außergerichtliche Einigung schließt eine Aufteilung der Märkte nicht aus, wie das Beispiel Norma zeigt. Die Politik sollte bei solch einer Kungelei nicht mitmachen. Der Discounter Norma hat seine Beschwerde vor dem Oberlandesgericht bereits zurückgezogen, mit der er wie Rewe die Fusion von Kaiser's Tengelmann mit Edeka blockierte. Auch der Handelsverbund Markant kündigte an, seinen Widerstand vor Gericht aufzugeben. Beide werden entschädigt. Sie erhalten eine "finanzielle Kompensation". Das muss nicht notwendigerweise Bargeld sein. Die Entschädigung kann auch in Form von Supermarkt-Filialen "gezahlt" werden.

Die Arbeitsplätze dienen den Konzernen nur als Vorwand, sich den Markt aufzuteilen

Das macht die Sache allerdings nicht besser, sondern eher schlechter, vor allem wenn die Politik diese Deals auch noch genehmigt. Ein Schlichterverfahren hat in dem Fall nichts zu suchen. Deutschlands Stärke im Vergleich zu anderen Ländern ist es, die Dinge klar zu trennen: hier das Bundeskartellamt, das ohne politischen Einfluss nach wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten urteilt, dort das Ministererlaubnisverfahren. Wenn dieses angestrengt wird, befindet man sich im Bereich der Politik; dann können Gemeinwohlgründe auch wettbewerbsrechtliche Bedenken überwiegen.

Wenn sich nun aber Politiker, und seien es auch ehemalige, mit Konzernchefs an einen Tisch setzen, um einen Ausgleich zwischen den mächtigsten Unternehmen der Branche zu finden, werden hier die Dinge auf unzulässige Weise vermengt. Die Politik sollte sich da heraushalten. Sie läuft Gefahr, sich von Konzernen instrumentalisieren zu lassen. Es sähe nach einer Kungelei der Großen hinten verschlossenen Türen aus, bei der die Verbraucherinteressen und der Wettbewerb unberücksichtigt blieben.

Das Ergebnis solcher Verhandlungen kann im Zweifelsfall nur sein, dass die Marktmacht der Mächtigen noch größer würde. Die Preise erhöhen sich zwar dadurch nicht zwangsläufig; die Discounter in Deutschland werden weiterhin für einen besonders hart ausgefochtenen Preiskampf sorgen, von dem in erster Linie die Verbraucher profitieren. Die großen Handelskonzerne können ihre wachsende Marktmacht aber beim Einkauf der Waren immer gnadenloser ausspielen. Die Milchbauern zählen zu den prominentesten Opfern dieses Konzentrationsprozesses. Dem Tierwohl ist dabei übrigens auch nicht gedient.

Den Konzernen geht es nur vordergründig um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Mit der Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel haben sie nun Schwarz auf Weiß, dass der Erhalt von Stellen im Zweifelsfall schwerer wiegt als wettbewerbsrechtliche Bedenken. Das nutzen die Konzerne jetzt aus. Unter dem Deckmantel der Ministererlaubnis versuchen sie, die Märkte von Kaiser's Tengelmann unter sich aufzuteilen. Im Zweifelsfall, wie bei Norma, vergeben sie einfach Märkte außerhalb des Pakets, das die Ministererlaubnis umfasst. Das Kartellamt bleibt dabei außen vor, obwohl es die wichtigste Rolle spielen sollte.

Bei einem so großen Konzern wie Rewe ist die Aufteilung der Märkte allerdings viel schwieriger. Unter den Auflagen der Ministererlaubnis ist es so gut wie unmöglich sie hinzubekommen. Deswegen ist der Hinweis von Rewe bemerkenswert, auch nach Lösungen "außerhalb der Ministererlaubnis" zu suchen. Das bedeutet, es geht jetzt darum, dass Edeka dem Konkurrenten Rewe eigene Supermärkte abtreten soll, nicht nur Läden von Tengelmann, sondern von Edeka selbst und vom Discounter Netto, der ebenfalls zu Edeka gehört. Für dieses Geschachere zu Lasten der Verbraucher und des Wettbewerbs sollte sich kein Politiker hergeben.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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