Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Das Ende der Troika

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Die Bundesbank will den Rettungsfonds ESM zur zentralen Instanz in der Schuldenkrise machen. Die Entmachtung der Troika wäre ein sinnvoller Schritt.

Von Cerstin Gammelin

Die Währungsunion ist in keinem guten Zustand. Die Volkswirtschaften wachsen trotz guter äußerer Bedingungen und der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank fragil und langsam. Die Regierungen der Euro-Länder sind in einer Art Schockstarre gefangen, die sie lähmt, nötige nationale Reformen auf den Weg zu bringen. Eine Schockstarre, die sie unwillig bis unfähig erscheinen lässt, die Währungsunion zu reparieren und gegen die nächste Krise zu wappnen. In diese Lücke ist nun die Bundesbank gesprungen.

Die Sorge in der deutschen Notenbank vor dem nächsten Schock ist so massiv gewachsen, dass sie es für geboten hält, sich ins politische Geschäft einzumischen. Der Vorschlag, den sie in ihrem jüngsten Monatsbericht macht, ist bemerkenswert. Die Bundesbank fordert die Regierungen der Euro-Staaten auf, den Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen. Mit klaren Zuständigkeiten, klaren Strukturen und klaren Konditionen.

Der Vorschlag folgt einer einfachen Logik: Wer die Rechnung zahlt, bestimmt die Konditionen. Was nach Lesart der Bundesbank heißt, dass die Euro-Länder, die einander im Fall von Staatsschuldenkrisen über ihren Euro-Rettungsfonds ESM Kredite gewähren, auch über die Konditionen dafür zu bestimmen haben. Weshalb, so die Schlussfolgerung, alle erforderlichen Kompetenzen zur Analyse und Bewertung beim ESM zu bündeln sind. Ebenso wie die Überwachung der Programmverpflichtungen in dem jeweiligen Krisenland. Was wiederum darauf hinausläuft, dass aus dem Euro-Rettungsfonds ESM langfristig ein Europäischer Währungsfonds entsteht.

Zur Erinnerung: Mit dieser Idee startete 2010 der damals neu ins Amt gekommene Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Sie landete schnell in der Schublade, weil sich die Krise so dramatisch schnell in die Euro-Zone hineinfraß, dass keine Zeit blieb für lange Überlegungen und Vertragsformalitäten. Und auch, weil Kanzlerin Merkel es für angebracht hielt, den Internationalen Währungsfonds finanziell an den Krediten für die von der Pleite bedrohten Staaten zu beteiligen.

In der Hektik der um sich greifenden Krise nutzten die Europäer vorhandene Institutionen, mit denen schnell geholfen werden konnte. Die Europäische Zentralbank war plötzlich nicht mehr nur für Geldpolitik zuständig. Sie hatte auch den Finanzbedarf oder die Schuldentragfähigkeit von Staaten zu analysieren. Oder zu entscheiden, ob der nationalen Notenbank eines Krisenstaates der finanzielle Nottropf abgeklemmt werden müsse. Es war für die Währungshüter ein permanenter Interessenkonflikt.

Die Nationalstaaten gewinnen an Einfluss. In schwierigen Zeiten ist das sinnvoll

In eine ähnliche Bredouille geriet die Europäische Kommission. In der Gesetzgebungsbehörde der Europäer kollidierten die nackten Analysen der Wirtschafts- und Finanzexperten mit den politischen Notwendigkeiten in den Mitgliedsstaaten. Konjunkturannahmen und Schuldenanalysen wurden abgewägt gegen das Risiko politischer Umstürze.

Aus der schlichten Notwendigkeit heraus, dass die Erkenntnisse der drei Institutionen gebündelt werden mussten, entstand damals die sogenannte Troika. Ein Gremium, das sich über die Jahre als nicht nachhaltig herausstellte. Zum einen, weil es den Experten immer schwerer fiel, sich bei ihren Analysen politischem Einfluss zu entziehen. Oder sich überhaupt zu einigen. Und auch, weil die Troika bei den Bürgern in den Krisenstaaten wegen einschneidender Sparauflagen zum ausgemachten Hassobjekt wurde.

Die Bundesbank will die Troika abschaffen. Sie will die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission von ihren Aufgaben bei der Bewältigung von Staatsschuldenkrisen entbinden. Der künftige Europäische Währungsfonds ESM soll alle Aufgaben übernehmen.

Besonders aus Sicht der Europäischen Kommission liest sich der Vorschlag wie eine politische Entmachtung. Und genau das ist es auch. Die Behörde verliert in den Krisenländern an Einfluss und Mitbestimmung. Die Nationalstaaten der Euro-Zone gewinnen selbige hinzu.

Optimal ist das keinesfalls. Und unter normalen Umständen wäre es auch nicht wünschenswert, die gemeinsamen Institutionen zugunsten der Nationalstaaten zu schwächen. Aber die Zeiten sind nicht normal. Der Brexit ist beschlossen, in Italien und Portugal wackeln Banken und Regierungen, aus China droht Rezession, aus den Nachbarländern der EU Krieg und Terror. Es ist in einer solchen Situation schlicht verantwortungsvoll, dass die Staaten, die eine gemeinsame Währung verbindet, auf pragmatische Weise zusammenrücken. Um gewappnet zu sein.

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Quelle:
SZ vom 20.07.2016
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