Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Boni ohne Boden

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Der Vorstand der Deutschen Bank gönnt sich großzügige Boni. Wofür bloß! Das Institut macht hohe Verluste, ob der Umbau gelingt, ist völlig offen. Leider versagen auch Gewerk­schafter, Arbeitnehmer­vertreter und Aktionäre als Korrektiv.

Von Meike Schreiber

Nicht mehr und nicht weniger als 5,7 Milliarden Verlust hat die Deutsche Bank 2019 produziert. Das war grosso modo zu erwarten. Schließlich verkleinert sich das größte deutsche Geldhaus gerade deutlich, was hohe Kosten verursacht. Aber es ist und bleibt ein Verlust, und zwar einer der größten in der Unternehmensgeschichte. Es ist daher das eine, dass das Geldhaus in dieser Situation wahrscheinlich immer noch mehr als eine Milliarde Euro Boni an die Mitarbeiter bezahlen will - wie immer aus Angst, dass diese andernfalls scharenweise das Weite suchen. Das allein ist problematisch (auch wenn die Boni zu Zeiten von Vorstandschef Josef Ackermann noch um ein Vielfaches höher waren). Denn damit sendet das Geldhaus damit erneut ein fragwürdiges Signal an die Aktionäre, welche wohl wieder eine Nulldividende erhalten.

Schlimmer allerdings wiegt, dass sich auch der Vorstand rund um Konzernchef Christian Sewing nicht dazu durchringen konnte, für 2019 ganz auf den Bonus zu verzichten, wie in früheren Verlustjahren. Die Manager verzichten im Vergleich zum Vorjahr zwar ungefähr auf die Hälfte. Aber sie erhalten - trotz ihrer für Dax-Vorstände üppigen Fixgehälter - immer noch Prämien von zusammen 13,3 Millionen Euro (darin enthalten sind rund zwei Millionen Euro für drei Führungskräfte, die im vergangenen Jahr das oberste Führungsgremium verlassen haben). Es sei zwar ein Verlustjahr gewesen, aber eben auch ein extrem "wichtiges" Jahr, sagt Sewing. Der Vorstand habe viel erreicht, das Geldhaus sei auf einem gutem Weg.

Das mag sein. Aber noch hat der Vorstand nicht bewiesen, dass die Bank die Wende schafft. Zu oft hat es die Bankführung in den vergangenen Jahren versprochen: dass die Bank bald wieder ganz normal Geld verdient, ohne dabei krumme Geschäfte und überbordende Risiken einzugehen. Bislang ist das nicht eingetreten. Die Erträge in der Kernbank - also den Geschäftsbereichen mit Zukunft - sanken 2019, auch in der Investmentbank und im Privatkundengeschäft gingen die Einnahme zurück. Sewing und seine Kollegen geben sich gerne bodenständig. Sie sehen sich dann auf Augenhöhe mit ihren Kunden, Unternehmern, deutschen Mittelständlern. Echte Unternehmer aber wissen: Wer Verlust macht und Tausende Stellen streicht, kann sich selbstverständlich kein Extragehalt auszahlen.

Als Korrektiv sind Gewerkschafter und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat komplett ausgefallen

Irritierend daher, dass ausgerechnet ein Arbeitnehmervertreter die Bonus-Entscheidung am Donnerstag auch noch öffentlich lobte. Sie sei auf Basis des Vergütungssystems der Bank erfolgt, welches die Eigentümer mit großer Mehrheit verabschiedet hätten. Auf Basis der erreichten Kennzahlen hätte der Vorstand sogar einen Anspruch auf seine volle variable Vergütung gehabt, ließ sich Detlef Polascheck, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, zitieren. Die Entscheidung verdiene daher Respekt. Respekt? Ernsthaft? Die Aussage ist putzig, andererseits aber auch nicht überraschend, zumindest wenn man weiß, dass sich auch Verdi-Chef Frank Bsirske all die Jahre nie ernsthaft gegen die Gehaltsexzesse der Bank gestellt hat - im Schulterschluss mit Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Als Korrektiv sind die Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter in dieser Hinsicht komplett ausgefallen. Man darf gespannt sein, wie sich der neue Aufsichtsrat Sigmar Gabriel dazu stellt.

Auch auf die Aktionäre ist kein Verlass. Die meisten haben ja ohnehin längst das Weite gesucht, weswegen man die Sache andersherum sehen muss: Die fehlende Profitabilität, auch Folge der hohen Boni, ist der Hauptgrund, warum der Aktienkurs seit langer Zeit so gefährlich niedrig notiert. Heute dominieren daher Großaktionäre aus Katar oder der US-Fonds Cerberus die Geschicke des Konzerns. Sie haben in puncto Vergütung noch nie die Stimme erhoben. Vielleicht, weil sie andere Möglichkeiten haben, aus ihrem Investment etwas herauszuholen. Cerberus etwa hat die Deutsche Bank beim Umbau beraten.

Zumindest die Finanzaufseher aber begleiten die Bonuspolitik kritisch, was zu begrüßen ist. Denn Vergütung und Stabilität von Banken sind keine reine Privatsache. Wenn es Händler jeweils dorthin zieht, wo sie am meisten kassieren, dann schaukeln sich die Boni immer weiter hoch. Im heutigen Marktumfeld mit niedrigen Zinsen schwächt dieser Wettlauf die Finanzbranche noch mehr. Man muss die Boni-Befürworter erinnern: Es hieß ja stets, der Vorteil sei, dass Boni mit den Gewinnen schwanken könnten. Wer nun in schlechten Jahren behauptet, jetzt müsse erst recht ein Bonus bezahlt werden, macht sich unglaubwürdig.

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SZ vom 31.01.2020
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