Kommentar:Billig allein reicht nicht

Lufthansa übernimmt die belgische Brussels Airlines nun komplett. Sie wird Eurowings zugeschlagen. Doch dafür braucht es auch eine Strategie jenseits von nur billig.

Von Jens Flottau

Lufthansa hat gerade den schlimmsten Pilotenstreik seiner Geschichte hinter sich. Es gibt zwar derzeit wieder Verhandlungen mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit und damit voraussichtlich eine streikfreie Weihnachtszeit. Aber niemand weiß, ob die Ruhe von Dauer ist. Unternehmenschef Carsten Spohr trat am Donnerstagmorgen in Brüssel auf. Er verkündete, dass der Konzern die belgische Brussels Airlines vollständig übernehmen und in die Tochtergesellschaft Eurowings integrieren wird. Verhandlungen mit den Piloten und Übernahmepläne - zwei Themen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu haben.

Von wegen. Seit Spohr im Frühjahr 2014 Vorstandsvorsitzender wurde, baut er den Konzern in einem für Lufthansa-Verhältnisse atemberaubenden Tempo um. 2014 war die Billigflugsparte Eurowings allenfalls ein Anhängsel, das mit ein paar Regionalflugzeugen auf Nebenstrecken herumflog. Mit Brussels Airlines und einem Teil von Air Berlin wird Eurowings bald auf eine Größe von 180 Flugzeugen wachsen. Damit wird Eurowings auch im Weltmaßstab eine ziemlich große Fluggesellschaft sein.

Der Konzern braucht eine Perspektive jenseits des alten Kerngeschäfts

Eurowings war ursprünglich vor allem eine Drohkulisse gegenüber den Piloten: Wenn diese nicht zu Konzessionen bereit wären, durch die das Kerngeschäft günstiger und damit wettbewerbsfähig wird, dann würde eben eine neue Sparte aufgebaut, die immer mehr Märkte übernimmt. Doch aus der Drohkulisse ist Realität geworden. Die Marke Lufthansa ist beim Thema Kosten immer noch keinen Schritt weiter. Eurowings indes hat schon längst alle Stationen außer Frankfurt und München übernommen und wird bald sogar in München eine Basis eröffnen. Gut möglich, dass die Billig-Tochter bald auch in Frankfurt gegen Ryanair fliegen wird. Und Langstrecken bietet sie auch schon an.

Spohr macht mit Eurowings im Prinzip das Richtige. Denn einerseits braucht der Konzern eine Perspektive jenseits des alten Kerngeschäfts für den Fall, dass dort Reformen wirklich auf Dauer unmöglich sind. Austrian und Swiss, das gut laufende Technikgeschäft und das Catering sind nicht genug, wenn gleichzeitig der größte Geschäftsbereich seine Zukunftsperspektiven verliert. Zum anderen haben Spohrs Vorgänger und auch er selbst zu viel Zeit verschwendet, mit ungenügenden Versuchen wie Germanwings im stark wachsenden Billigsegment Fuß zu fassen. Jetzt muss es leider sehr schnell gehen.

Da Eurowings nun aber schneller als gedacht sehr real geworden ist, ist es umso wichtiger, dass die Sparte auch funktioniert. Auf Dauer ist es für den Lufthansa-Konzern sogar überlebenswichtig, dass das Projekt zu einem Erfolg wird. Davon ist Eurowings aber noch ein ganzes Stück entfernt: Bislang handelt es sich dabei nämlich nur um ein Sammelsurium von verschiedenen Flugbetrieben, die nach außen unter einer Marke auftreten. Zwar sind Funktionen wie Strategie und Verkauf zentralisiert, aber operativ sind bislang kaum Einsparungen möglich: Viele Funktionen gibt es mehrfach, weil sie für jeden einzelnen Flugbetrieb nötig sind.

Auf diese Art und Weise kann man zwar Ryanair und Easyjet das Wachstum auf dem deutschen Markt erschweren, aber die Ziele müssen schon andere sein. Zum Beispiel: Richtig Geld verdienen. Auch bei Eurowings müssen deswegen die Kosten sinken. Einen großen Schritt in diese Richtung wird das Ende von Germanwings bedeuten, das in den nächsten Jahren aufgelöst werden soll. Es geht andererseits nicht nur um Kosten. Ein Geschäftsmodell ist schwer zum Erfolg zu führen, wenn es nur darin besteht, alle Aktivitäten zu übernehmen, an denen die Muttergesellschaft gescheitert ist. Was passiert etwa, wenn Eurowings künftig in München eine attraktive Strecke sieht, sie aber nicht fliegen darf, weil dann ja Lufthansa selbst leiden könnte?

Klassische Fluggesellschaften haben zuletzt häufig Billigableger gegründet, selten ist daraus ein Erfolg geworden. Lufthansa orientiert sich stark am Modell der australischen Qantas, die mit ihrer Jetstar eine Ausnahme geschafft hat. Sogar ehemalige Jetstar-Manager wurden abgeworben, um ihre Expertise einzubringen. Vor allem aber kommt es darauf an, dass der Branchenneuling Thorsten Dirks so gut ist, wie alle hoffen. Mobilfunkmanager Dirks übernimmt im Frühjahr den Chefposten bei Eurowings, und spätestens seither geistern Begriffe aus der Welt der Digitalisierung durch den Konzern, von denen manch Altgedienter zuvor noch nie etwas gehört hatte. Doch auch die schönste Digitalstrategie wird nichts bringen, wenn die Grundstruktur nicht passt. Niemand weiß das besser als Lufthansa.

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