Kommentar:Beschützer der Steuertrickser

Firmen müssen offenlegen, wie sie Gewinne verschieben. Sonst gehen die Corona-Hilfen auch an Steuertrickser.

Von Klaus Ott

Auf den ansonsten recht nüchtern gehaltenen Internetseiten des Bundeszentralamts für Steuern findet sich ein Link zu einem unterhaltsamen Video. Die Regierungschefs und Minister, die Corona-Milliarden für große Unternehmen auf den Weg bringen, sollten es sich anschauen. Das Video dauert auch gar nicht lange, nur sechs Minuten und 46 Sekunden. So viel Zeit sollte sein, denn es geht um Grundsätzliches. Um Gerechtigkeit. Um viele Milliarden Euro, die Staaten wie Deutschland durch Steuertricks von Konzernen verloren gehen. Darunter sind wahrscheinlich auch Unternehmen, die jetzt beim Staat Corona-Hilfen in Milliardenhöhe beantragen. Was einfach nicht zusammenpasst.

In dem Video wird am Beispiel einer fiktiven Firma in den USA geschildert, wie einfach es ist, die Abgaben an den Staat radikal zu kürzen: Indem geistiges Eigentum teuer an eine Tochtergesellschaft auf eine Insel mit Niedrigst-Steuersätzen verkauft wird. Dieses Eigentum kann aus Handelsmarken bestehen, aus Urheberrechten und ähnlichen Dingen, deren Wert schwer zu beziffern ist. So lassen sich Unternehmensgewinne leicht in Steueroasen verschieben. Die Steuern, die im Heimatland zu zahlen sind, schmelzen auf diese Weise dahin wie Butter in der Sonne.

Die Corona-Pandemie ist die schlimmste globale Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Natürlich ist es richtig, weltweit mit staatlichen Hilfsmaßnahmen so viele Unternehmen und Arbeitsplätze wie irgend möglich zu retten. Es geht auch nicht darum, Konzerne pleitegehen zu lassen, die solche Steuertricks praktizieren und so der Gesellschaft schaden. Aber weiterzumachen wie bisher und solche Praktiken zu dulden, ist erst recht keine Lösung. Das würde die Steuertrickser belohnen und jene bestrafen, die brav ihre Abgaben zahlen. Es wäre letztlich eine Umverteilung von unten nach oben.

Ein ganz konkreter Ansatz für mehr Steuergerechtigkeit bietet sich bei einer EU-Vorschrift, die Unternehmen ab 750 Millionen Euro Jahresumsatz verpflichtet, bestimmte Geldflüsse dem Fiskus offenzulegen. Die Firmen müssen mitteilen, wie sie geistiges Eigentum und ähnliche Dinge intern verrechnen. Und wo sie welche Steuern zahlen. Country-by-Country Reporting heißt das. Immerhin 68 Staaten machen mit, darunter auch diverse Steueroasen, wenn auch manche nur mit Einschränkungen. Die Daten lassen viele Rückschlüsse zu. Sie bleiben aber bei den Behörden unter Verschluss. Das liegt vor allem an der Bundesregierung. Die wehrt sich gegen den Vorschlag der EU-Kommission, die Daten offenzulegen.

Sobald Konzerne fragwürdige Geldflüsse offenlegen müssten, entstünde öffentlicher Druck

Wirtschaftsminister Peter Altmaier lehnte im Herbst 2019, als die EU über neue Regeln für das Country-by-Country Reporting beriet, eine Veröffentlichung ab. "Sensible Unternehmensdaten" müssten geschützt werden. Das ist eine faule Ausrede. Konzerne, die bei den Steuern nicht tricksen, haben schließlich nichts zu verbergen. Selbst Finanzminister Olaf Scholz, wahrlich kein Linker unter den Sozialdemokraten, hält eine Offenlegung der Geldflüsse für geboten. Doch er kann sich nicht durchsetzen. Der "Willensbildungsprozess" sei noch nicht abgeschlossen, antwortete die Regierung kürzlich auf eine Bundestagsanfrage der Linken. Das ist ein lächerliches Herumeiern. Als ob Kanzlerin Angela Merkel und ihr Vertrauter Altmaier monatelang nicht wüssten, was sie wollen.

Die Union, der größere Koalitionspartner, will einfach keine Transparenz. Die Regierung beschützt die Steuertrickser. Die Rechnung ist doch ganz einfach. Sobald Konzerne offenlegen müssten, wie sie Gewinne in Steueroasen verschieben, entstünde öffentlicher Druck. Vorstandschefs müssten sich rechtfertigen. Das würde den Rückzug aus den Oasen vorantreiben. Stattdessen bleibt vieles im Dunklen.

Das passt zur Praxis der Corona-Hilfen. 17 Unternehmen haben Staatskredite in Höhe von insgesamt mehr als 19 Milliarden Euro beantragt. Um welche Konzerne es geht, will die Bundesregierung aber erst sagen, wenn alles entschieden ist. Und selbst dann ist nicht nachvollziehbar, ob darunter auch Steuertrickser sind. So wird das Volk dumm gehalten und für dumm verkauft.

Das erwähnte Erklärvideo stammt übrigens nicht von irgendwelchen linken Gruppen. Sondern von der OECD, einem Zusammenschluss führender Industriestaaten einschließlich Deutschlands.

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