Benzinpreise:Jeder Liter weniger ist ein guter Liter

Lesezeit: 3 min

Viele Pendler - wie hier in Berlin - stehen oft im Stau. Das verbraucht unnötig Sprit. (Foto: picture alliance/dpa)

Unternehmen sollten darauf verzichten, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück ins Büro zu beordern. Der Arbeitsweg ist im Moment schlicht zu teuer.

Kommentar von Kathrin Werner

Hier geht es um mehr als die Jogginghose. Wenn Menschen wieder vom Home-Office zurück in den Betrieb kommen müssen, hat das Konsequenzen nicht nur für Beinkleider, die in der Videokonferenz unsichtbar waren, einsame Haustiere und das Corona-Ansteckungsrisiko. Es geht auch um den Arbeitsweg - gerade in diesen Zeiten, in denen einmal Volltanken mehr kostet als der gesamte Wocheneinkauf einer Großfamilie.

Unternehmen sollten darauf verzichten, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück vom Home-Office an den Büroschreibtisch zu beordern - sowieso, weil sie nachgewiesenermaßen im Home-Office genauso produktiv und oft glücklicher sind, und erst recht in Zeiten teurer Spritpreise. Der Gesetzgeber sollte die Pflicht auf Home-Office, die er Unternehmen auferlegt hat, über den 20. März hinaus verlängern. Es ist schlicht zu teuer, zur Arbeit zu fahren. Und wenn ein Unternehmen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim Spritsparen helfen kann, dann es sollte es das auch tun. Jeder Liter Benzin, der im Moment weniger getankt und weniger verfahren wird, ist ein guter Liter - für die Menschen selbst, besonders für Geringverdiener, aber auch für die richtigen und wichtigen Bemühungen, unabhängiger von fossilen Einfuhren aus Russland zu werden. Und für das Klima sowieso.

Es ist ja keine ganz neue Erkenntnis, dass Spritsparen wichtig ist. Der einzelne hat nicht so viele Möglichkeiten, wirklich etwas Wirksames zu tun, um die Erderwärmung zu bremsen. Die großen Stellschrauben können nur die Unternehmen und die Politik drehen. Weniger Autofahren ist aber eine dieser wenigen Dinge, mit denen man etwas bewirken kann. Wenn die derzeit so hohen Spritpreise mehr Menschen dazu bringen, mit Bus, Bahn oder Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder sogar sich ein Elektroauto zu kaufen, ist das genau richtig. Vielleicht führt die Spritpreiswut auch dazu, dass das Volk den Druck auf die Volksvertreter erhöht, für bessere Alternativen zum Autofahren zu sorgen. Ein Schubs Richtung nachhaltigerem Transport tut dem Autoland Deutschland gut. Auch wenn dieser Schubs weh tut.

Lange Strecken zu pendeln war schon immer schlecht. Schlecht fürs Klima, für den Geldbeutel und auch die Menschen selbst. Der Weg zur Arbeit und zurück nach Hause, zeigen Studien, gehören zu den stressigsten Zeiten am Tag. Lange Arbeitswege machen dick, müde und krank. Wer länger als 45 Minuten pendelt, lebt mit einer um 40 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit, dass die Ehe in Scheidung endet, zeigt eine Studie aus Schweden. Die Rushhour macht unglücklich. Wer nicht unbedingt pendeln muss, sollte es nicht tun. Erst recht nicht im Auto.

Aufrufe zum Verzicht kommen meist von Menschen, die nicht verzichten müssen

Trotzdem darf man nicht mit einer großstädtischen Überheblichkeit jeden Auto-Pendler verurteilen. Es gibt eben Menschen, die keine andere Wahl haben, als mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, wenn sie in den Betrieb kommen müssen. Nicht überall, wo Menschen leben, gibt es gute öffentliche Verkehrsmittel. Manchmal bedeutet die Wahl zwischen Autofahren und S-Bahn-Fahren, ob man zum Abendessen mit den Kindern zu Hause ist oder nicht. Umziehen ist teuer. Manch einer verliert einen Job, der in der Nähe war, und muss nun weiter weg arbeiten, kann sich den Umzug dahin aber nicht leisten. Manche Arbeitgeber sitzen im Niemandsland irgendwo an der Autobahn.

Hohe Spritpreise treffen die Menschen am härtesten, die weniger Geld haben. Während die Aufrufe zum Spritsparen und auch zum Heizung-Runterdrehen meist von Menschen kommen, für die höhere Preise zwar ärgerlich, aber nicht ernsthaft bedrohlich sind. Das macht diese Aufrufe nicht falsch, aber doch häufig wohlfeil.

Was also tun? Es ist nicht die Aufgabe des Staates, den Benzinpreis zu subventionieren. Wenn der Staat in Märkte eingreift, dann bitte doch in andere, die nicht klimaschädlich und fortschrittsfeindlich sind - man denke etwa an eine Begrenzung der Mietpreise. Es ist zu hoffen, dass die Grünen bei dem entsprechenden Vorschlag des Finanzministers nicht mitmachen. Die Politik sollte Anreize setzen, Sprit zu sparen, statt Spritfresser zu unterstützen. Also lasst die Auto-Pendler doch in Ruhe im Home-Office bleiben. In Jogginghosen, wenn sie wollen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: