Kommentar:Beachtliche Wende

Die Commerzbank war immer das Sorgenkind der deutschen Finanzbranche, während es der Deutschen Bank noch vergleichsweise gut ging. Jetzt ist es umgekehrt.

Von Harald Freiberger

Man sollte ja immer vorsichtig sein, wenn sich Chefs auf die eigene Schulter klopfen. Von einem "klaren Beleg für einen erfolgreichen Turnaround" spricht Commerzbank-Chef Martin Blessing angesichts neuer Zahlen. Das ist hoch gegriffen - und doch ist es nicht falsch. Es hat zwar eine Zeitlang gedauert, doch in der Tat hat die Commerzbank eine beachtliche Wende geschafft.

Um das zu ermessen, muss man sich vergegenwärtigen, woher die Bank kommt. Sie war 2008 nach der Übernahme der Dresdner Bank und Ausbruch der Finanzkrise pleite und musste mit 18 Milliarden Euro vom Staat gerettet werden. Danach stolperte sie jahrelang weiter von Krise zu Krise, von Milliardenloch zu Milliardenloch, von Kapitalerhöhung zu Kapitalerhöhung. Die Aktie verlor, gemessen am Höchstkurs, bis zu 98 Prozent. So etwas kannte man vorher nur von völlig überbewerteten Internet-Klitschen zu Zeiten des Neuen Markts, die sich später als Pleite-Unternehmen herausstellten. Wie diese rang die Commerzbank um ihre Existenz, jahrelang war nicht sicher, ob sie überleben würde.

Die Wende kam erst 2012 mit dem Umbau des Privatkundengeschäfts, eines wichtigen Standbeins der Bank. Der Bereich wird nun auch über die Zufriedenheit der Kunden gesteuert, nicht mehr nur über die verkauften Produkte. Seitdem hat die Sparte 666 000 neue Kunden gewonnen und steuert inzwischen einen merklichen Gewinn bei. Erfolge gibt es auch bei der Vergabe von Firmenkrediten und beim Abbau von Altlasten.

Die Commerzbank hat zwar nach wie vor ein Problem mit den Kosten. Trotzdem wirkt sie im Vergleich mit anderen Instituten geradezu gesund. Das zeigt der Blick auf die benachbarte Deutsche Bank, die in einer tiefen Krise steckt. Über Jahre waren die Rolle genau andersherum verteilt. Auch dies belegt die Wende.

Kaum ein Manager in Deutschland wurde je so sehr kritisiert und verspottet wie Blessing. Doch er hat ein enormes Durchhaltevermögen an den Tag gelegt und im Grunde keine größeren Fehler gemacht - abgesehen von dem Grundfehler, dass er 2008 Chef einer maroden Bank wurde. Das ist eine Leistung, die man anerkennen muss - und für die er sich auch einmal auf die Schulter klopfen darf.

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