Kommentar:Bahnchef Nimmersatt

Hartmut Mehdorn hat das Unternehmen vorangebracht. Doch jetzt läuft er Gefahr, sich zu übernehmen und zu überschätzen.

Klaus Ott

Von seinen Gesellschaftern lässt sich der Vorstandschef des letzten großen deutschen Staatsunternehmens nur ungern dreinreden, und das ist oft auch gut so. Hartmut Mehdorn könnte bei der Deutschen Bahn (DB) wohl kaum viel bewirken, wenn er sich ständig nach den Wünschen von Ministern, Staatssekretären oder Abgeordneten richten würde.

Die Kunden müssen zufrieden sein, und da hat die Bahn in den vergangenen Jahren mit neuen Zügen, preiswerten Tickets, attraktiveren Fahrplänen, freundlichen Schaffnern und dem Ausbau des Transportgeschäfts viel geleistet. Mehdorn ist auf gutem Wege, den einst behäbigen Staatsbetrieb in einen weltweit expandierenden Dienstleistungs- und Logistikkonzern zu verwandeln, der Frachtaufträge zu Lande, zu Wasser und in der Luft abwickelt und so die Chancen der Globalisierung nutzt. Die DB, die längst mehr als eine Bahn ist, dürfte bald reif für die Privatisierung sein.

Eigene Regeln schaffen

Mehdorn hat das Unternehmen vorangebracht, aber jetzt läuft er Gefahr, sich zu übernehmen und zu überschätzen. Der impulsive Manager will sich im Umgang mit dem Staat seine eigenen Regeln schaffen, und ganz in diesem Sinne hat er einen bösen Brief an Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee geschrieben.

Der erste Entwurf aus dessen Ressort für die Privatisierung der DB tauge nichts, lautet die Botschaft. Mehdorn und sein Vorstand beklagen sich wortreich über die vielen Auflagen, die beim Schienennetz geplant sind. Das soll nach dem Willen der Großen Koalition und entgegen den Plänen des Konzernchefs im Eigentum des Bundes bleiben. Und weil der Staat viel Geld für den Aus- und Neubau der Strecken und teils auch für deren Instandhaltung ausgibt (obwohl Letzteres Aufgabe der DB wäre), wollen die Regierung und die zuständigen Behörden wissen, was mit diesen Mitteln und mit dem Schienennetz geschieht.

Das ist nachvollziehbar und plausibel, nur nicht für Mehdorn. Der kämpft weiter darum, den vollen Zugriff auf das Netz zu behalten. Dass die Große Koalition von Union und SPD vor wenigen Monaten anderes beschlossen hat, dass der Streit um das Netz endlich beigelegt und der Weg für den Gang an die Börse frei war, interessiert den Konzernchef offenbar nicht. Und es interessiert ihn wohl auch nicht genug, in welchem Zustand sich das Streckennetz befindet, obwohl längst bekannt ist, wo die Gleise, Weichen und all die anderen Anlagen schon längst saniert sein müssten.

Der Bundesrechnungshof hat dieser Tage erschreckende Erkenntnisse vorgelegt. Die staatlichen Finanzkontrolleure verwiesen in einem Entwurf für einen Prüfreport auf zahlreiche Mängel, auf die das Eisenbahn-Bundesamt als Aufsichtsbehörde gestoßen sei und die größtenteils nicht abgestellt worden seien.

Das könne im Extremfall sogar den Zugverkehr gefährden und zu Unfällen führen. Seit Jahren gibt es Hinweise auf marode Streckenteile, die zu großen Verspätungen führen, zum Ärger der Fahrgäste. Die vielen Mängel bremsen sogar den ICE, der im Herbst so unpünktlich war wie schon lange nicht mehr. Da reicht es nicht, dass Mehdorn auf die Kritik des Rechnungshofs entgegnet, das seien Einzelfälle.

Statt anzupacken und das Netz grundlegend in Ordnung zu bringen, setzt der Konzernchef andere Schwerpunkte. Mehdorns Unternehmenspolitik nährt den Verdacht, er wolle bei der DB AG freie Hand haben, um nach eigenem Gutdünken zu investieren.

Hier eine Milliarde Euro für den Zukunft einer US-Transportgesellschaft, dort eine Milliarde für den Einstieg in die Hamburger Hafengesellschaft. Für sich betrachtet mag das jeweils sinnvoll sein. Die globale Expansion darf aber nicht dazu führen, dass die Bahn das Schienennetz vernachlässigt, in das der Staat direkt und indirekt - über die Zuschüsse für den Regionalverkehr - aus gutem Grund eine Menge Geld investiert. Intakte Strecken sind Grundlage einer ökologischen Verkehrspolitik.

Was aus dem Netz wird, kann nicht einem Manager überlassen bleiben, der nach der Rendite schaut. Falls Mehdorn dies nicht einsieht, könnte er am Ende noch das Vertrauen verspielen, das die Regierung in ihn hat - und das kurz vor der geplanten Vertragsverlängerung.

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