Kommentar:Ausverkauf in Augsburg

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Sigmar Gabriel hat alles versucht. Vergeblich. Kuka geht an Midea. Den großen Aktionären, zwei Familienfirmen, war Geld lieber.

Von Ulrich Schäfer

Sigmar Gabriel hat alles versucht, und es hat doch nicht gereicht. Der Bundeswirtschaftsminister wollte verhindern, dass eines der deutschen Vorzeigeunternehmen schlechthin, der Roboterbauer Kuka, an einen chinesischen Investor verkauft wird. Er hat dazu viel telefoniert mit etlichen Industriekonzernen aus Deutschland, um ein Bündnis zu schmieden, das sich dem Midea-Konzern in den Weg stellt.

Am Ende ging die Sache viel schneller als gedacht über die Bühne - und vor allem: anders als gedacht. Denn ausgerechnet jene beiden Familienunternehmen, die bei Kuka bislang das Sagen hatten, weil sie mehr als 35 Prozent der Aktien hielten, entschieden sich besonders schnell dafür, ihre Kuka-Aktien zu verkaufen: zwei Unternehmen mit großer Tradition, zwei Eigentümer, von denen man sich mehr Durchhaltevermögen erhofft hätte. Knapp zwei Wochen vor dem Ende der regulären Angebotsfrist verkündeten die beiden ihren Ausstieg, im Abstand von nicht mal 24 Stunden, und so kam es in Augsburg zu einem Ausverkauf, der Gabriel gar nicht passen kann.

Dem Heidenheimer Maschinenbauer Voith und dem hessischen Unternehmer Friedhelm Loh scheint das schnelle Geld wichtiger zu sein als das langfristige Bekenntnis zu einem Unternehmen, das nicht nur Sigmar Gabriel, sondern auch Kanzlerin Angela Merkel sehr am Herzen liegt und das mit seinen Robotern beispielhaft für die Industrie 4.0 steht, also für zweite Runde der digitalen Revolution.

Schon die erste Runde dieser Revolution hat Deutschland klar verloren, Unternehmen wie Amazon, Google, Airbnb oder Facebook beherrschen das private Internet. Nun aber werden auch Maschinen und Fabriken ans Internet angeschlossen, sie kommunizieren miteinander und tauschen Daten aus, es entsteht das industrielle Internet. Wer könnte das besser als die deutschen Maschinenbauer, die seit jeher den Weltmarkt dominieren. Wenn nun Kuka, eines der besten Unternehmen aus diesem Bereich ausgerechnet an einen chinesischen Investor geht, ist dies keine Lappalie.

Die bisherigen Aktionäre stellen nationale Interessen hintan - und denken allein ans Geld

Gewiss: Der neue Eigentümer Midea ist zwar kein Roboterbauer, weshalb manche die Gefahr, hier könne Know-how abfließen, als gering ansehen; der Hausgerätehersteller hat zudem zugesichert, Kuka in den nächsten Jahren als unabhängiges Unternehmen fortzuführen, die Jobs und die Zentrale in Augsburg sollen erhalten bleiben. Aber wenn ein Investor wie Midea ein Angebot vorlegt, das weit über dem Börsenwert liegt, handelt dieser ganz gewiss nicht aus Altruismus. Sondern rechnet kühl. Und diese kühle Rechnung ist aufgegangen: Von jenen deutschen Industriekonzernen, die Kuka vielleicht hätten retten können, also Siemens, Bosch, Daimler oder VW, war offenbar keiner bereit, einen noch höheren Preis zu zahlen.

Mehr noch: Auch die bisherigen Ankeraktionäre, die eine chinesische Dominanz hätten verhindern können, wurden weich. Man kann dieses Verhalten von Voith und Loh - wenn man rein unternehmerische Maßstäbe anlegt - durchaus erklären. Denn: Der Preis war hoch. Und gewiss ist es auch nicht die Aufgabe der Politik, bei einem solchen Verkauf direkt einzugreifen und ein Konsortium für ein Gegenangebot zu organisieren (dies wäre stattdessen Aufgabe der Wirtschaft gewesen). Andererseits verstehen sich ja gerade die Familienunternehmen und ihre Lobby bestens darauf, die Politik massiv zu bearbeiten, wenn es um ihre Interessen geht - so wie jüngst bei der Reform der Erbschaftsteuer. Ihre Argumentation bewegt sich dabei stets entlang der Linie, wie wichtig die Familienunternehmen doch als Stütze der deutschen Wirtschaft seien, wie langfristig orientiert sie als Arbeitgeber agieren und wie sehr sie sich um das nationale Interesse bemühten.

Das ist alles richtig, alles nachvollziehbar. Allerdings bekommt diese Argumentationslinie Risse, wenn nun ausgerechnet zwei Familienunternehmen bei der Frage, ob Kuka ein deutsches Unternehmen bleibt oder chinesisch wird, das nationale Interesse hintanstellen - und allein ans Geld denken.

© SZ vom 05.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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