Frauen im Vorstand:Es ist Zeit, die Geduld zu verlieren

Schattenriss einer Frau im Büro

Noch nie stand eine Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns.

(Foto: Tobias Kleinschmidt/dpa)

Ausgerechnet eine US-Elektronikkette mit verstaubtem Image macht vor, was die deutschen Dax-Konzerne nicht schaffen: eine Frau als Vorstandsvorsitzende berufen.

Kommentar von Kathrin Werner

Wer schon einmal in einem Laden von Best Buy gestanden hat, würde die US-Elektronikkette nicht unbedingt als modernes Unternehmen bezeichnen. Die Geschäfte haben grelles Licht, staubige Fußböden und übermächtige Konkurrenz im Internethandel. Es gab bislang keinen Grund, sich als deutsche(r) Zeitungsleser(in) für die US-Version von Mediamarkt näher zu interessieren. Bisher. Denn nun hat sich Best Buy eben doch als modern entpuppt. Mit einem Schachzug: Das Unternehmen hat eine Frau als Vorstandsvorsitzende berufen. Wenn Corie Barry ihr Amt im Juni antritt, wächst die Zahl der amerikanischen Konzerne aus dem Leitindex S&P 500, die von einer Frau geführt werden, auf 26. Zur Erinnerung: Es ist das Jahr 2019.

Die Zahlen sind immer noch besser als in Deutschland. Es gab noch nie ein Dax-Unternehmen mit einer Chefin. Bei gerade einmal 8,8 Prozent liegt der Frauenanteil in den Vorständen der 160 deutschen Börsenunternehmen - so wenig wie in kaum einem anderen Industrieland. Wenn schon auf einfachen Vorstandsposten Frauen fehlen, wird es unwahrscheinlich, dass eine Frau das Gremium leitet. Schließlich steigen Vorstandsmitglieder oft zu Vorstandschefs auf. Wenn irgendwo ein Mann abtritt, wird er durch einen Mann ersetzt. Laut dem Magazin Forbes ist Melanie Kreis, die Finanzchefin der Deutschen Post, Deutschlands zweitmächtigste Frau. Es sagt viel aus über unser Land, dass die meisten Menschen sie nicht kennen.

Jetzt können wir wieder lang und breit über eine Frauenquote diskutieren. Wir können weiter einen Kulturwandel fordern weg von Stereotypen, die Frauen in Berufe drängen, die mit weniger Macht verbunden sind. Aber wer hat schon noch Lust auf die ewig gleiche Debatte? Vielleicht ist es an der Zeit, so richtig die Geduld zu verlieren. Vielleicht sollten wir bei Unternehmen wie Fielmann, Freenet oder Zalando nicht mehr einkaufen, die nicht nur keine Chefinnen haben, sondern sich selbst für die Zahl der Frauen im Vorstand die Zielgröße Null vorgenommen haben, wie die Allbright-Stiftung gerade angeprangert hat. Manche entblöden sich nicht, in ihren Geschäftsberichten zu versprechen, "die Zielgröße Null auch in Zukunft nicht zu unterschreiten". Vielleicht sollten sich junge Menschen, die mit besten Noten von den Universitäten kommen, bei Firmen ohne Frauen im Vorstand nicht bewerben. Vielleicht sollte niemand Ersparnisse in Aktien von Unternehmen anlegen, die nicht nachweisen können, dass sie Frauen fördern. Das würde sich sowieso lohnen.

Denn das Versagen, Frauen in Machtpositionen zu bringen, ist auch ein Vergehen an den Interessen des Unternehmens. An den Interessen der Mitarbeiter, auch der männlichen, für die mehr Vielfalt besser ist. Und an den Interessen der Aktionäre, insbesondere, aber nicht nur in der Konsumgüterindustrie. 80 Prozent der Kaufentscheidungen treffen Frauen, sogar bei Autos. 2016 stellte die Bank Credit Suisse außerdem in einer Studie fest, dass Unternehmen, in denen Frauen ein Viertel der Entscheidungspositionen besetzen, vier Prozent höhere Cashflow-Renditen erzielen. Die Deutsche Börse spielt gerade mit der Idee eines "Diversity Dax", eines Index, für den sie die Aktien nach der Vielfalt der Manager der Unternehmen aussucht. Er hätte den normalen Dax innerhalb der vergangenen zwei Jahre um 4,3 Prozent übertroffen. Es ist beachtlich, dass der Chauvinismus der Entscheider bisher sogar ihren kapitalistischen Profittrieb übersteigt.

Nun ist es so, dass die meisten Aufsichtsräte und Topmanager all diese Studien seit Langem kennen. Es gebe halt keine Frauen, die es können und wollen, sagen sie schon genauso lange. Schade, schade. Aber Frauen, die an die Spitze nachrücken, fallen nicht vom Himmel, man muss sie fördern. Best Buy, das überraschenderweise doch moderne Unternehmen, hat es vorgemacht und Barrys Aufstieg von langer Hand geplant. Sie hat alle Seiten des Konzerns kennengelernt. Zuletzt war sie Finanzchefin, davor Strategievorstand und Leiterin einer Sparte und dafür verantwortlich, Umsätze zu schreiben.

Es reicht nicht, Frauen auf einen Vorstandsposten wie Personal oder Kommunikation zu befördern, auf dem sie zwar bei der Frauenquote mitgerechnet werden, von dem aus sie aber wahrscheinlich nicht an die Firmenspitze aufsteigen. Best Buy hat es richtig gemacht. Wer schon einmal in einem der Läden gestanden hat, weiß, dass sich deutsche Führungskräfte schämen müssen, dass ihnen diese Firma als Vorbild genannt wird. Es ist Zeit, die Geduld zu verlieren.

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Bei gerade einmal 8,8 Prozent liegt der Frauenanteil in den Vorständen der 160 deutschen Börsenunternehmen - so wenig wie in kaum einem anderen Industrieland. Zudem gab es noch nie ein Dax-Unternehmen mit einer Chefin. Zeit, die Geduld zu verlieren, schreibt Kathrin Werner.

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