Kommentar:Anschlag eines Autokraten

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Donald Trump verlangt vom Notenbankchef, den Leitzins auf null zu senken. Würde Powell das tun, würde er das Gesetz brechen. Denn es gehört nicht zu seiner Pflicht, einen unfähigen Regierungschef zu unterstützen.

Von Claus Hulverscheidt

Zu den unbestreitbaren Vorzügen des Donald J. Trump zählt die Bereitschaft, seine wahren Gedanken und Intentionen nie allzulange vor der Öffentlichkeit zu verheimlichen. Fast im Stundenrhythmus erlaubt er seiner Twitter-Gefolgschaft einen Blick in sein tiefstes Inneres, selbst dann, wenn sich dort nicht mehr auftut als ein Abgrund an Unkenntnis und Selbstverliebtheit. Kurz vor der Ratssitzung der US-Notenbank an diesem Dienstag und Mittwoch wurde die Welt so erneut Zeuge eines präsidialen Wutanfalls: Die Fed müsse ihren Leitzins sofort auf null oder gar darunter senken, um es ihm, Trump, zu ermöglichen, die immense US-Staatsschuld von derzeit 22 Billionen Dollar in niedriger verzinste Anleihen umzutauschen. Wer sich, wie Notenbankchef Jerome Powell, verweigere, so der Präsident, sei schlicht ein "Holzkopf".

Nun gehören verbale Angriffe auf die Fed leider längst zum politischen Alltag in Trumps Amerika. Und doch stößt der Präsident mit seiner jüngsten Attacke in eine neue, wahrlich furchteinflößende Dimension vor. Nicht nur, dass er Powell, der unter schwierigen Bedingungen einen guten Job macht, einmal mehr in der ihm eigenen unflätigen Art beleidigt. Er fordert die Fed vielmehr offen zum Rechtsbruch auf: Die einzige geldpolitische Pflicht nämlich, die die Notenbank laut Gesetz zu erfüllen hat, ist die Förderung von Beschäftigung und stabilen Preisen. Nicht zu ihren Aufgaben gehört dagegen die Unterstützung eines Regierungschefs, der nicht mit Geld umgehen kann und das Haushaltsdefizit auf sagenhafte 1,1 Billionen Dollar aufgebläht hat - pro Jahr. Im Gegenteil: Eine solche Hilfeleistung würde dem gesetzlichen Mandat der Fed sogar zuwiderlaufen.

Dass Trump dennoch die Dienste der Notenbank einfordert, zeigt erstens, dass ihm Gesetze wurscht sind, wenn sie nicht mit seinen persönlichen Zielen übereinstimmen. Und zweitens offenbart der Wutausbruch seine autokratische Grundhaltung, wonach die Behörden eines Landes nicht dem Land, sondern ihm persönlich gegenüber loyal sein sollten. Ein Autokrat ist nach gängiger Definition ein Mensch, der ohne größere Kontrolle und aus eigener Vollkommenheit alle politische Macht in einem Land auf sich vereint. Das dürfte ziemlich exakt das sein, wovon Trump nachts träumt. Dass er von Powell verlangt, das Recht zu brechen, ist deshalb kein Ausrutscher. Es ist ein Anschlag auf das demokratisch verfasste Staatswesen.

Angesichts einer solchen Ungeheuerlichkeit muss der Umstand verblassen, dass der Präsident auch inhaltlich danebenliegt. Negative Zinsen gehören zu den Instrumenten einer Notenbank, die wegen ihrer schwerwiegenden Nebenwirkungen nur als letztes Mittel zur Rezessions- oder Deflationsbekämpfung zum Einsatz kommen. Die US-Wirtschaft wächst aber noch recht ordentlich, die Arbeitslosenrate ist mit 3,7 Prozent so niedrig wie zuletzt vor 50 Jahren. Zugleich liegt die Inflation, anders als von Trump behauptet, mitnichten bei null, sondern mit rund zwei Prozent ziemlich exakt dort, wo die Fed sie haben will. Dass jetzt das ganze Konstrukt dennoch zu kippen droht, hat nichts mit zu hohen Leitzinsen zu tun - im Gegenteil: Sie sind mit gut zwei Prozent weiter recht niedrig. Der Grund ist vielmehr der Handelskrieg mit China und Europa, den Trump vom Zaun gebrochen hat, und der weltweit die Unternehmen verunsichert.

Und noch einen Zusammenhang kann oder will der Präsident nicht verstehen: Anders als ein klammer Immobilienmagnat kann ein Staatschef nicht einfach zur Bank laufen und eine Umschuldung nebst niedrigerer Zinsen verlangen. Staaten verschulden sich nicht durch die Aufnahme von Bankkrediten, sie begeben Anleihen, die dem Käufer pro Jahr eine feste Verzinsung garantieren. Warum aber sollte ein Anleger, der 1995 einen 30-jährigen Bond mit einem festen Satz von fast acht Prozent gekauft hat, diesen vorzeitig an den Staat zurückgeben und ihn gegen ein Null-Zins-Papier eintauschen? Das ergäbe keinen Sinn. Und dennoch führt Trump das Land wie einst seine maroden Casinos.

Man würde sich fast wünschen, dass die Fed beim Routinetreffen ihres zinspolitischen Komitees diese Woche dem Präsidenten eins auswischt und ihren Leitsatz unverändert lässt. Doch in solch niederen Kategorien denken Powell und seine Mitstreiter nicht. Stattdessen ist es aufgrund der fragilen Wirtschaftslage gut möglich, dass sie den Satz gewissermaßen vorbeugend erneut um einen viertel Punkt auf dann knapp zwei Prozent senken - nicht wegen, sondern trotz Trumps Forderung.

Es gibt in diesem Konflikt zwischen dem Staats- und dem Notenbankpräsidenten der USA in der Tat einen Holzkopf. Kleiner Tipp: Powell ist es nicht.

© SZ vom 16.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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